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Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Internationales Tribunal über die Sanktionen der USA gegen die Republik Cuba

Einführung des Vorsitzenden Richters Norman Paech.

Prof. Dr. Norman Paech, Vorsitzender Richter Wir leben in finsteren Zeiten, die Welt ist in Unordnung. Zwei furchtbare Kriege lähmen den menschlichen Fortschritt und werfen uns in unserem gesellschaftlichen Fortschritt um Jahrzehnte zurück. Die beiden großen Kriege in der Ukraine und Palästina sind nicht nur Kriege zwischen einzelnen Staaten, sondern Kriege, in die die ganze Welt gezogen wird und deren Verbrechen die Grenze zu den Kapitalverbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord bereits überschritten haben. Dabei droht in Vergessenheit zu geraten, dass die Welt bis dahin nicht friedlich gewesen ist. Wir erleben Kriege, die nicht mit militärischer Gewalt sondern mit ökonomischen Zwangsmitteln unzählige Opfer an Menschen hinterlassen und ganze Völker an den Rand der Existenz treiben. Wer erinnert sich nicht der zynischen Antwort der ehemaligen Außenministerin Madeleine Albright auf die Frage, ob der Tod von 500.000 Kindern als Folge der Sanktionen gegen den Irak es wert gewesen war? Sie antwortete, "den Preis war es wert". Ökonomische und finanzielle Sanktionen sind zu einem immer häufiger eingesetzten Instrument des Krieges gegen abweichende Regierungen geworden, deren Folgen, Zerstörungen und Schäden den Opfern militärischer Auseinandersetzungen vergleichbar sind.

Die wohl ältesten, längsten und in ihrer Dauer schmerzhaftesten Sanktionen haben die USA gegen ihren Nachbarn Cuba verhängt. Seit Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts haben sie bis heute mit einem Bündel von Sanktionen und Blockaden versucht, die Politik in Havanna zu ändern und auf den liberal-kapitalistischen Weg zu zwingen – vergebens. Um die Sanktionen und die rechtliche Analyse, das heißt die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen geht es in den nächsten zwei Tagen.

Lassen sie mich noch einige Worte zu diesen Tribunalen anfügen. Sie gehen auf den großen Philosophen Sir Bertrand Russel und das erste vielleicht auch berühmteste zurück, das Vietnam War Crime Tribunal von 1966 in Stockholm. Ihm folgten zahlreiche weitere Tribunale wie z.B. gegen die Diktatur in Chile, gegen die US-Invasion in Irak 2003 oder zur Lage der Menschenrechte in Palästina.

Der Philosoph Jean Paul Sartre, damals geschäftsführender Präsident des Vietnamtribunals, antwortete auf die Kritik an dem Tribunal: "Das sind die Grenzen und der Sinn dessen, was sich unser Gericht zu tun vorgenommen hat: Es handelt sich für uns nicht darum, darüber zu urteilen, ob die amerikanische Politik in Vietnam verhängnisvoll ist oder nicht –was für die meisten unter uns außer Frage steht -, sondern darum, zu sehen, ob sie unter die Bestimmungen der internationalen Gesetzgebung über Kriegsverbrechen fällt oder nicht...Es geht nicht darum, eine Politik zu verurteilen im Namen der Geschichte, es geht nicht darum, zu beurteilen, ob sie den Interessen der Menschheit zuwiderläuft oder nicht: es geht nur darum, festzustellen, ob sie unter die Kompetenz bestehender Gesetze fällt oder nicht."

Diese Sätze gelten für dieses Tribunal ebenso. Wir haben nicht über den Imperialismus der USA - über den sich die meisten von uns wohl einig sind - , die Schädlichkeit und Amoralität ihrer Politik gegenüber Cuba zu verhandeln. Unsere Kriterien sind das Recht, welches die Staaten selbst – und mit ihnen die USA – in Verträgen, Covenants und Deklarationen beschlossen haben. Wir prüfen nur, ob sich die USA an das von ihnen selbst geschaffene Recht halten und ob sie dagegen verstoßen. Dieses Tribunal hat nicht die Legitimation und Macht, ein Urteil durchzusetzen, es ist aber mehr als ein Schauspiel. Es ist der Spiegel der Legalität oder Illegalität, in den die Staaten schauen, um zu erkennen, dass ihr Handeln einzig den Prinzipien und Gesetzen verpflichtet ist, die die friedlichen Beziehungen der Staaten garantieren können – das heißt, die Welt zusammenhalten.

Unsere Kriterien sind klar. Sie sind die der offiziellen internationalen Gerichtsbarkeit:
1. das internationale öffentliche Recht wie es in der UN-Charta und dem Gewohnheitsrecht verankert ist,
2. die Menschenrechte, wie sie in den beiden internationalen Covenants von 1966 zusammengefasst sind,
3. das internationale Vertrags- und Handelsrecht der WTO und
4. die Gesetze der EU.

Vor ein paar Tagen, am 4. November 2023 forderte die überwältigende Mehrheit der Mitgliedstaaten der UNO die USA mit 187 Stimmen gegen zwei (USA, Israel), bei zwei Gegenstimmen (USA, Israel) und einer Enthaltung (Ukraine) auf, das Wirtschafts-, Handels- und Finanzembargo aufzuheben. Sie ermahnt die Beachtung der UNO-Charta und des internationalen Rechts, insbesondere die Freiheit des Handels und der Schifffahrt. Wir haben auch diese eindeutige Verurteilung der Sanktions- und Blockadepolitik in unseren Verhandlungen zu berücksichtigen.

Wir haben uns zwei Fragen gestellt:
1. Gegen welches internationales Recht verstoßen die direkt gegen Cuba gerichteten Sanktionen, und
2. Gegen welches internationales Recht verstoßen die extraterritorialen, die sog. Drittwirkungen der Sanktionen auf fremde Staaten und Unternehmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Prof. Dr. Norman Paech, Vorsitzender Richter auf dem Internationalen Tribunal gegen die Blockade Kubas
Brüssel, 16.11.2023