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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


»Kapitulation vor dem Imperium ist keine Option«

Über Solidarität als Grundlage kubanischer Politik sowie Errungenschaften und Herausforderungen der Revolution. Ein Gespräch mit Gerald Warnke.

Maifeier 2023 am Malecon in Havanna
Die Maifeier 2023 am Malecon in Havanna musste wegen des Wetters und aufgrund von Treibstoffmangel um Tage verschoben werden, 150.000 Menschen kamen auf dem Boulevard zusammen.
Foto: Ivett Polyak-Bar Am/jW


Sie und Ihre Begleiterin waren zur 16. Internationalen 1.-Mai-Brigade nach Kuba gereist und hatten vorher um Spenden für das dortige Gesundheitswesen gebeten. Wieviel kam dabei zusammen?

Wir hatten uns erst im allerletzten Moment entschlossen, an dieser Brigade teilzunehmen. Zwei Wochen vor der Reise dachte ich mir, ich kann nicht wie ein Tourist nach Kuba reisen, und habe einen Spendenaufruf an Bekannte und Freunde abgesetzt. Am Ende kamen innerhalb einer Woche 1.400 Euro zusammen. Mit Hilfe eines Apothekers konnte ich noch 7.500 Einmalspritzen organisieren, und wir haben digitale Thermometer für Frühchen für ein Kinderkrankenhaus in Havanna gekauft. Bei Bekannten sammelten wir für abgelegene Familienarztpraxen besonders im Osten des Landes Smartphones, mit denen die Ärztinnen und Ärzte möglichst engen Kontakt zu ihren Patientinnen und Patienten halten können.

Alles Sachen, die Kuba nicht beschaffen kann aus dem Ausland?

Sie sind teuer und nur gegen Devisen zu beschaffen, die das Land aber nicht hat. Selbst wenn genügend Geld da wäre, kann Kuba wegen des Handels-, Wirtschafts- und Finanzembargos der USA ganz viele Dinge auf dem internationalen Markt nicht kaufen. Sobald nur drei Prozent US-Patente in einem Produkt stecken, unterliegt es dem Handelsembargo. Den Firmen, die das Embargo brechen, drohen Sanktionen. Hinzu kommt, dass durch die Coronapandemie die Transportpreise für Container sich verdoppelt oder verdreifacht haben.

Was können Sie zum Umfang der 16. Internationalen 1.-Mai-Brigade berichten?

Es waren sieben Teilnehmende aus der Bundesrepublik dabei. Insgesamt nahmen etwa 420 Menschen aus 24 Ländern teil, aus Südkorea, Japan, Ghana oder Südafrika, aus Spanien, Portugal oder aus Chile und weiteren Ländern Südamerikas. Allein aus Großbritannien sind 50 Teilnehmer gekommen, junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, 56 aus den USA. Sogar Referenten von Abgeordneten aus dem EU-Parlament waren dabei. Die Kubaner hatten nicht damit gerechnet, dass es so viele Anmeldungen geben würde. Da das für die Unterbringung geplante Camp zu klein war, organisierten sie wenige Wochen vorher blitzschnell um, brachten die Brigade in vier Hotels in Havanna unter und vergrößerten das Programm an Besichtigungen und Diskussionsrunden in kurzer Zeit. Eine logistische und organisatorische Meisterleistung.

Zum Programm, das in den Provinzen Havanna, Artemisa, Villa Clara und Sanctí Spiritus stattfand, gehörten Besuche in Barrios, bei landwirtschaftlichen Kooperativen, Kulturprojekten, einer Behinderteneinrichtung, im Zentrum »Fidel Castro«, dem Memorial für Che Guevara in Santa Clara. Wir trafen uns mit internationalen Studenten und nahmen an vielfältigen Informationsveranstaltungen mit Gewerkschaftern, zur Biotechnologie, zu Neurowissenschaften, zur Digitalisierungsstrategie, neuen Medien und vielen mehr teil.

Mit welcher Mission ist diese Brigade betraut?

Ein Grundstein kubanischer Außenpolitik ist die internationale Solidarität zwischen den Völkern. Kubanische Ärzte sind in vielen Ländern der Welt unterwegs – während der Pandemie sogar in Italien. 20.000 Südamerikaner studieren kostenlos Medizin in Kuba mit der Verpflichtung, danach mindestens fünf Jahre in unterentwickelten Regionen ihrer Länder zu arbeiten. Kuba behandelt Kinder aus Tschernobyl, Kuba half bei der Bekämpfung der Ebolaepidemie in Afrika usw. Das Land schätzt die Kraft der internationalen Solidaritätsbewegungen zur Unterstützung des weltweiten Kampfes gegen Unterentwicklung, Kolonialismus, Ausbeutung und Kapitalismus hoch ein. In der kubanischen Politik geht es eben nicht nur um die Ebene großer Politik zwischen Regierungen, sondern zuerst um Bewegungen aus dem Volk, ohne die jeder Fortschritt undenkbar ist. Hier ordnet sich ein, welch hohen Stellenwert Kuba der internationalen Solidaritätsbewegung und damit auch dieser Brigade beimisst.

Wir sollten bei der Kundgebung zum 1. Mai in Havanna sogar auf der Tribüne der Staats- und Parteiführung sitzen. Das war schon sehr überraschend und ungewohnt, als Staatsgäste behandelt zu werden. Dazu kam es dann doch nicht, weil die 1.-Mai-Kundgebung in Havanna wegen eines Unwetters, das tags zuvor die Straßen der Stadt kniehoch überschwemmt hatte, und Benzinmangels abgesagt werden musste zugunsten von Kundgebungen in den Regionen einige Tage später. Wir waren dann bei der Demonstration in Sancti Spiritus dabei – ein unbeschreibliches Erlebnis, das uns die Kraft der kubanischen Revolution auch in schwierigsten Zeiten demonstrierte. Und die Teilnahme an der Internationalen Solidaritätskonferenz im Kongresszentrum von Havanna am 2. Mai mit 1.400 Teilnehmern mitsamt der Staats- und Parteiführung – Staatspräsident Miguel Díaz-Canel als Hauptredner – gehörte sicher zu den Höhepunkten.

Diese Brigade drückt eine Wertschätzung für die internationale Solidaritätsbewegung aus und soll ein Baustein sein, Solidarität mit Kuba zu stärken. Denn wir können den Kubanern am besten helfen, wenn wir selbst Solidarität mit ihnen üben. Diese Aufgabe lässt sich nicht irgendwohin delegieren. Das müssen wir schon selber machen. Durch Geldspenden, Sachspenden und am besten eben durch die Entfaltung einer breiten politischen Solidaritätskampagne, um die Wirtschaftsblockade zu beenden. Vor der nächsten UN-Vollversammlung – beim letzten Mal, 2022, stimmten dort nur noch die USA und Israel für die Blockade, Brasilien (noch unter Bolsonaro) und die Ukraine haben sich enthalten – wird es ein internationales Tribunal »Unblock Cuba« am 16. und 17. November 2023 in Brüssel geben. Das sollte ein Höhepunkt der Solidarität mit Kuba werden. Den Rest machen die Kubaner schon selbst.

Welche Eindrücke konnten Sie während Ihres Aufenthalts vom Alltagsleben auf der Insel sammeln?

Wir waren vier Wochen dort, zwei mit der Brigade und zwei als individuelle Touristen. Der kubanische Sozialismus bietet einem Reisenden aus dem Westen viele Überraschungen. Am auffälligsten ist es, einen Alltag ohne Rassismus zu erleben. Das ist mit wenigen Worten kaum zu beschreiben und tief beeindruckend. Und es ist schon sehr erstaunlich, mit welcher selbstverständlichen Würde, Ruhe, Gelassenheit und Freundlichkeit die Kubaner trotz aller Widrigkeiten durch den Alltag gehen. Auch das ist ein ziemlicher Kontrast zu unserem hektischen, gestressten Leben. Und verblüffend war auch, dass es im ganzen Land keine Werbung gibt.

Dann war uns zum Beispiel gar nicht klar, dass Havanna mit seinen drei Millionen Einwohnern weltweit die erste und einzige Großstadt ist, deren Gemüse- und Obstbedarf zu 90 Prozent von stadtnah gelegenen Kooperativen mit nachhaltiger Landwirtschaft ohne Einsatz von Dünger und Pestiziden gedeckt wird. Ganz wohnortnah und biologisch. Mit unseren Begriffen: Urban gardening als gesellschaftliches Großprojekt. Die Kubaner haben wie so oft aus der Not eine Tugend gemacht und sind pragmatisch neue Wege gegangen, um einem Mangel abzuhelfen. Nach der Niederlage des europäischen Sozialismus, wie sie ihn nennen, fehlten auf einen Schlag eine Million Tonnen Dünger und Pestizide aus den sozialistischen Ländern. Die Lösung war, mit einfachsten Mitteln ohne Großtechnik, Dünger und Pestiziden auf biologische Landwirtschaft umzustellen.

Und dann die Gesundheitsversorgung. Im ganzen Land gibt es das System der Familienärzte, wo ein Arzt 100 Familien oder etwa 600 Patienten betreut. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine größere Arztdichte. Das gesamte System ist auf Prävention ausgerichtet, nicht nur auf die Heilung schon ausgebrochener Krankheiten. Obwohl im Vergleich mit den USA nur fünf Prozent der Mittel eingesetzt werden können, ist die Lebenserwartung der Kubaner etwas höher als in den reichen USA und die Kindersterblichkeit geringer. Und dann dieser unglaublich hohe Bildungsstand. Es ist schon nicht selbstverständlich, sich mit einem einfachen Fahrradrikschafahrer über Goethe unterhalten zu können. Oder zu hören, dass zur Zeit etwa 500.000 Erwachsene kostenlos eingeschrieben sind in einer Universität für alle.

Die Nahrungsmittelproduktion war keineswegs der einzige Sektor, in dem man sich etwas hatte einfallen lassen müssen mit dem Wegfall der Unterstützung aus der Sowjetunion.

Die Ölimporte brachen auch weg, es wurde ziemlich zappenduster im Land. Auch hier machten die Kubaner aus der Not eine Tugend. Sie leiteten eine Energiewende ein. Fidel sagte: »Das beste Ölfeld ist das, was gar nicht erst angezapft wird. Und die beste Energie ist die, die wir gar nicht erst verbrauchen.« In kürzester Zeit waren ähnlich wie bei der Alphabetisierungskampagne 1960 Schüler und Studenten im ganzen Land unterwegs, um die Menschen vom Energiesparen zu überzeugen und als ersten Schritt Glühbirnen gegen Energiesparlampen auszutauschen, die der Staat kostenlos zur Verfügung stellte.

Wie stabil war die Stromversorgung während Ihres Aufenthalts?

Wir waren nicht so von Stromausfällen betroffen. Doch die Versorgungskrise ist viel größer, allgegenwärtig und hat viele Ursachen, für die die Regierung gar nichts kann. Kuba musste in den vergangenen Jahren viele Katastrophen überstehen. Erst flog das Treibstofflager in Matanzas in die Luft, dann verwüstete ein Hurrikan die Insel, obendrauf kam dann noch die Coronapandemie. Der Tourismus als Devisenbringer brach komplett weg, die Staatsschulden verdoppelten sich, weil der Staat die Löhne in der Pandemie weiter zahlte. Und jetzt noch die Preissteigerungen für alles, was importiert werden muss. Es fehlt buchstäblich an allem, manchmal sogar an Toilettenpapier. Viele sagen, die jetzige Situation sei so schlimm oder schlimmer als in der sogenannten Spezialperiode Anfang der 90er. Das will was heißen.

Hat das Folgen für die Zukunft des sozialistisch orientierten Gesellschaftsmodells?

Die Kubaner sagen klar, dass sie am System des Sozialismus festhalten. Die Haupterrungenschaften, die sie sichern müssen, sind Bildung für alle, Gesundheit für alle und Land für die Bauern. Hinzukommt die Versorgung mit Wohnraum. Grundsätzlich will man nicht die Fehler des europäischen Sozialismus wiederholen, dazu gehören auch Überzentralisierung und bürokratische Erstarrung. Sie möchten aber auch nicht den asiatischen Sozialismus à la Vietnam oder China mit den starken marktwirtschaftlichen Elementen kopieren, sondern suchen ihren eigenen Weg. Ganz klar ist, dass Kuba auf keinen Fall eine Marktwirtschaft als beherrschende Wirtschaftsform will, weil das die Rückkehr zum Kapitalismus bedeuten würde.

Gerald Warnke
Gerald Warnke
Christian-Ditsch.de


Es gibt aber mittlerweile durchaus kleine marktwirtschaftliche Elemente.

Nach Phasen strikt zentralistischer Planung und Überführung der Landwirtschaft, des Handwerks und auch kleinerer Firmen in Staatseigentum haben die kubanischen Kommunisten inzwischen erkannt, dass es auf dem Weg zum Sozialismus vielfältiger Formen des Wirtschaftens bedarf, die flexibel und situativ gehandhabt werden müssen, um den besten Weg im Sozialismus zu finden. Raúl Castro stellte in den 90ern ernüchtert fest, dass der größte Fehler der Partei war, zu glauben, es gebe ein fertiges Rezept zum Aufbau des Sozialismus. Sie korrigieren Fehler, erproben neue Wege und tasten sich vorwärts.

Dazu gehörte auch, die gerade verabschiedete neue Verfassung den neuen Gegebenheiten anzupassen. Wenn man es genau nimmt, wird so eine Politik etabliert, die ein bisschen erinnert an die Neue Ökonomische Politik, wie sie Lenin in der Sowjetunion entwickelt hatte. Kleine Firmen mit bis zu 100 Angestellten und Arbeitern dürfen inzwischen in Kuba auf eigene Rechnung arbeiten. Wobei klar ist, dass das Rückgrat der Industrie mit insgesamt 80 Prozent der Wirtschaftskraft weiter in staatlicher Hand bleiben wird. Klar ist aber auch, dass der private Sektor gebraucht wird für eine schnelle, flexible, situative Versorgung. Das ist schon durchaus neu. Sie wissen auch, dass das ganz neue Probleme schaffen wird. Die kubanischen Kommunisten betreten ständig Neuland bei der doppelten Aufgabe, die Unterentwicklung zu überwinden und zugleich den Sozialismus aufzubauen.

Niemand will zurück in die Zeit vor der Revolution. Und nach wie vor sind die Kubaner unglaublich stolz darauf, dass diese kleine Insel mit ihren elf Millionen Einwohnern es als einziges Land in Lateinamerika geschafft hat, seine Souveränität gegen das übermächtige Imperium nebenan zu behaupten.

Selbstverständlich beklagen die Menschen den allgegenwärtigen Mangel. Doch sie kommen auch schnell auf die Ursachen der Misere zu sprechen und verstehen die Lage. In den meisten Gesprächen hört man nicht, dass die Regierung den falschen Weg gehe oder der Sozialismus an allem schuld sei. Kapitulation vor dem Imperium und Rückkehr zum Kapitalismus ist sowieso keine Option für die meisten. Trotzdem darf man nicht übersehen, dass die Bewältigung und das Organisieren des Alltags die Menschen erschöpft und ermüdet. Der soziale Druck auf die Gesellschaft ist enorm.

Das heißt, da kommt auch Druck von unten?

Der Druck kommt von ganz vielen Seiten und lastet auf allen. Aber die Regierung weiß, was jetzt von ihr erwartet wird, und hat als strategische Hauptaufgabe formuliert, die eigene nationale Produktion zu stärken, sonst hätten sie auch gar keine Exportgüter und könnten keine Devisen erwirtschaften. Und dafür haben sie den Begriff »mejor es possible«, also »mehr ist machbar« geprägt, der auch im ganzen Land als Losung zu sehen ist. Zugleich führen die Kommunisten eine Kampagne gegen das »Verbleiben in der Komfortzone«.

Was genau ist damit gemeint?

Die Situation, in der Verantwortungsträger in Staat, Partei und Betrieben lieber darauf warten, dass zur Lösung von Problemen irgendwelche Anordnungen von oben kommen, statt selbst initiativ zu werden. Die Regierung antwortet darauf jetzt, dass die Leute in ihrem Viertel, in ihrer Stadt oder ihrer Provinz zunächst selber gucken müssen, wie sie ein Problem am besten lösen. Die Menschen sollen nicht länger darauf warten, dass eine Zentrale für sie die Probleme löst.

Dabei besteht durchaus das Risiko, dass die Basis mit Problemen alleingelassen wird, oder nicht?

Eine berechtigte Frage. Doch so gehen Partei und Staat nicht vor. Sie sagen, Volksdemokratie heißt auch, sich vor Ort zu reorganisieren, die Initiative zu ergreifen und nicht an Staat und Partei zu delegieren. Die staatlichen Institutionen sagen, dass sie im Gegenzug dafür die Mittel zum Beispiel für die Barrios bereitstellen werden.

Wurde dieser Aspekt auch von den Brigadisten während Ihres Aufenthalts diskutiert?

Es gab eine Diskussion, wo die südafrikanischen Gewerkschaftsvertreter fragten, was die Kubaner machen, sollte sich die Partei vom Volk lösen, korrupt werden und machen, was sie will. Die Gewerkschafter haben das ein bisschen höflicher formuliert, und die Kubaner haben erst gar nicht verstanden, was gemeint war. Das sei doch gar nicht denkbar, sagten sie. »Schaut her«, hieß es, »wir sind hier mit sechs Frauen in unserer Gewerkschaftsleitung unseres Bezirks, und da ist eine einzige Kommunistin dabei, ansonsten sind wir keine Kommunisten.« Sollte der Moment kommen und sich die Regierung so weit vom Volk entfernen, dann ist die Revolution tot, sagten die kubanischen Vertreter. Dann sei Kuba gestorben.

Angesichts der rapide zunehmenden Erderwärmung – Stichwort Meeresspiegel, Hurrikans und Dürren – dürfte einiges auf Kuba zukommen.

Die Naturkatastrophen werden nicht aufhören. Und gesellschaftlich hat Kuba ein besonders großes Problem: die Landflucht der Jugend. Die jungen Leute sind gut ausgebildet, doch viele wollen nicht mehr in den landwirtschaftlichen Kooperativen bleiben. Das ist harte Arbeit, teils in der prallen Sonne. Die jungen Menschen heute möchten am liebsten alle nach Havanna. Da sind aber jetzt schon drei Millionen. Also wird man jetzt überlegen müssen, wie bessere Lebensbedingungen auf dem Land zu realisieren sind.

Kuba muss besonders der Jugend etwas bieten …

Wir haben mit einem Sekretär des Kommunistischen Jugendverbandes gesprochen. Der bestätigte das. Sie müssen eigene Wege gehen, besonders was Social Media anbelangt, sagte er, damit die jungen Leute erreicht werden. Die lesen einfach die Zeitung nicht mehr, auch die Granma nicht. Aber Kuba betrachtet diesen Trend auch als aufgezwungenen Teil des Klassenkampfs, mit dem man umgehen lernen muss.

Die Älteren verteidigen ihre Revolution ganz anders, weil sie entweder Nachfahren von einer Sklavenfamilie sind oder von ihren Großeltern und Eltern noch wissen, wie das vor der Revolution war. Deshalb verteidigen sie diese ebenso wie ihren Che oder ihren Fidel vehement. Auf die lassen sie nichts kommen. Die jungen Leute sagen dagegen, das sei alles schön und gut, aber jetzt Geschichte. Es brauche ein bisschen was anderes.

Entweder kriegen sie die junge Generation mit an Bord – oder die verlässt Kuba. In den vergangenen zwei Jahren sind Hunderttausende von jungen Leuten gegangen. Das sind die gut Ausgebildeten, die glauben, sie könnten eben auch im Kapitalismus gut bestehen.

Mit welchem Gefühl sind Sie von Ihrem Besuch anlässlich der 1.-Mai-Brigade aus Kuba zurückgekehrt?

Mit einem sehr guten. In Kuba fehlt es zwar an (fast) allem, nur nicht am ungebrochenen Willen, an dem sozialistischen Projekt trotz widrigster Bedingungen festzuhalten. Die Entwicklung hin zu einer multipolaren Welt und die Brechung der Vorherrschaft des Dollars wird Kuba in den nächsten Jahren hoffentlich neue Möglichkeiten der Entwicklung eröffnen.

Gerald Warnke ist seit Anfang der 1970er Jahre in Solidaritätsbewegungen engagiert, unter anderen für Vietnam, Chile und Kuba. Er lebt in Kassel. Auf seine Initiative wird in der jW-»Maigalerie« in Berlin zum 50. Jahrestag des faschistischen Putsches in Chile 1973 das in Kassel 1977 am Rande der »Documenta 6« größte außerhalb von Chile gemalte Murales, das als Original verlorengegangen ist, erstmals als digitaler Reprint ausgestellt.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Interview: Marc Bebenroth
junge Welt, 09.09.2023