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Prolog einer Revolution

Vor 70 Jahren stürmten schlecht bewaffnete Rebellen unter Führung von Fidel Castro die Moncada-Kaserne. Die Attacke war das Vorspiel zum Aufstand.

Kuba feiert an diesem Mittwoch den 70. Jahrestag des Angriffs auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba und auf einen Militärposten in der nahe gelegen Stadt Bayamo. Angeführt wurden die schlecht bewaffneten Rebellen von dem 26jährigen Anwalt Fidel Castro Ruz. Die Oppositionellen wollten damit einen landesweiten Aufstand zum Sturz des von Washington unterstützten Diktators Fulgencio Batista auslösen. Obwohl der Versuch militärisch scheiterte, gab er das Startsignal für eine Revolution, die fünf Jahre, fünf Monate und fünf Tage später erfolgreich war. Der Moncada-Angriff gilt als eines der bedeutendsten revolutionären Ereignisse der kubanischen und amerikanischen Geschichte.

Wie die Teppichweber von Kujan-Bulak

Während vor zehn Jahren noch zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus Lateinamerika und der Karibik zum Jahrestag nach Santiago de Cuba gereist waren, könnten die Feierlichkeiten in diesem Jahr wegen der verschärften US-Blockade, der globalen Wirtschaftskrise und der Kosten der Coronapandemie bescheidener ausfallen. Die bisherigen Vorbereitungen für die zentrale Feier auf dem Moncada-Gelände erinnern ein wenig an Bertolt Brechts Gedicht über die Teppichweber von Kujan-Bulak, die Lenin dadurch ehrten, dass sie mit dem Geld für eine Büste Petroleum kauften, um einen Sumpf auszutrocknen, aus dem Stechmücken kamen, die krankmachendes Fieber verbreiteten. Auch in dem ehemaligen Militärstützpunkt, der gemäß einer Anweisung Fidel Castros (»Schulen statt Kasernen bauen!«) schon 1960 in ein Bildungszentrum umgewandelt worden war, gibt es offenbar dringendere Bedürfnisse. Zur heutigen »Ciudad Escolar 26 de Julio« gehören neben anderen Einrichtungen fünf Grundschulen und eine Sekundarschule, alle nach Rebellen benannt, die von Batistas Soldaten beim Angriff auf die Kaserne getötet wurden. Zigtausende Schülerinnen und Schüler haben hier seit 1960 von einem Bildungssystem profitiert, das in Lateinamerika und darüber hinaus als vorbildlich gilt. Mit 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts investiert Kuba soviel in Bildung wie kein anderes Land der Welt. Trotzdem fehlen in den Schulen oft wichtige Dinge.

Wie Leonel García, der Direktor der »Schulstadt«, zwei Wochen vor dem jetzt anstehenden 70. Jahrestag gegenüber der KP-Zeitung Granma erklärte, wurden in Vorbereitung darauf auf dem Gelände umfangreiche Arbeiten ausgeführt, um die Lern-, Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern. Die 3.000 Schülerinnen und Schüler könnten das neue Schuljahr im September in frisch renovierten Klassenzimmern beginnen, so García. Auch die Parks der Anlage seien umgestaltet worden. Neben einer neuen Zisterne, die es der Schulstadt ermöglicht, ihren Wasserbedarf dauerhaft zu decken, wurde ein »Organipónico« angelegt – so werden in Kuba urbane Gemüsegärten für den Eigenverbrauch genannt. 70 Beete, in denen Gewürze und Gemüse angepflanzt werden, sollen künftig zur Nahrungsmittelversorgung von Schülern und Lehrern der als Halbinternat geführten Einrichtungen beitragen. Die Maßnahmen setzen etwas von den Zielen um, für das die Rebellen an derselben Stelle vor 70 Jahren gekämpft hatten.

»So nützten sie sich, indem sie Lenin ehrten und / Ehrten ihn, indem sie sich nützten, und hatten ihn / Also verstanden«, schrieb Brecht über die Teppichweber von Kujan-Bulak. In der letzten Strophe seines Gedichts verweist er auch auf die Notwendigkeit, die Geschichte der Teppichweber als Beispiel für sozialistisches Handeln im Sinne Lenins zu verbreiten. Deshalb wird es an diesem 26. Juli neben der zentralen Veranstaltung landesweit auch überall weitere Aktionen und Kundgebungen zur Feier des Tages geben, der seit dem Sieg der Guerillaarmee am 1. Januar 1959 in Kuba als »Tag der Nationalen Rebellion« begangen wird. Der 70. Jahrestag, so das Politbüro der Kommunistischen Partei (PCC) in dem Beschluss über den zentralen Festakt in Santiago de Cuba, sei »ein Meilenstein für die historische Kontinuität der Kubanischen Revolution«.

Doppelter Bruch

Im globalen Süden und vor allem in Lateinamerika gilt der Moncada-Angriff als Symbol für den Erfolg eines scheinbar aussichtslosen Widerstands gegen ein korruptes System, das die eigene Bevölkerung auch im Interesse kolonialer und imperialistischer Mächte unterdrückte. 70 Jahre nach dem zunächst gescheiterten Versuch der kubanischen Rebellen und knapp 65 Jahre nach dem Sieg ihrer Revolution herrschen in einigen Ländern des Kontinents heute Verhältnisse, die an die Zustände in Kuba unter der Batista-Diktatur erinnern. Im Januar legte die Nichtregierungsorganisation Oxfam einen aktuellen Bericht mit dem Titel »Survival of the Richest« vor, demzufolge in Lateinamerika zwischen 2020 und 2022 zusätzliche zwölf Millionen Menschen in die extreme Armut abgerutscht sind. Im selben Zeitraum konnten die Angehörigen der Oligarchien und Superreiche mit einem Nettovermögen von einer Milliarde US-Dollar oder mehr ihren Besitz um 21 Prozent vergrößern. Soziale Ungleichheit, mangelnde Bildungschancen und fehlende Gesundheitsversorgung, Armut, Erwerbslosigkeit und Hunger gleichen in etlichen Ländern der Region dem, was bis zum Sieg der Revolutionäre auch den kubanischen Alltag prägte. In den 1950er Jahren befanden sich mehr als 50 Prozent des bebauten Landes auf der Insel im Besitz von ausländischen Unternehmen, wie zum Beispiel der US-amerikanischen United Fruit Company. Ausbildung und Arbeit waren für die Mehrheit der damals fünfeinhalb Millionen Einwohner unerreichbare Ziele. In den wenigen Landschulen hockten die Schüler oft barfuß, halbnackt und unterernährt im Unterricht. Die Hälfte der schulpflichtigen Kinder besuchte überhaupt keine Schule, und rund 90 Prozent der Landkinder waren von Parasiten befallen. Jedes Jahr starben Tausende von ihnen an den Folgen der Armut, zu der sie verurteilt waren, weil ihre Eltern kein Land besaßen, auf dem sie etwas für ihre hungernden Kinder hätten anbauen können.

Die Beseitigung dieser Missstände durch den Triumph des Sozialismus in einem Land wie Kuba sei in keinem marxistischen Lehrbuch für möglich gehalten worden, schrieb der ehemalige kubanische Kulturminister Abel Prieto am 3. Mai 2021 in dieser Zeitung. »Eine unterentwickelte Karibikinsel, die der neokolonialen Vorherrschaft der Vereinigten Staaten unterworfen war, mit einer begrenzten Industrie, die sich auf die Zuckerproduktion, auf Nickel und nicht viel mehr beschränkte, mit einem zahlenmäßig nicht sehr bedeutenden Proletariat und einer großen, meist aus Analphabeten bestehenden Bauernbevölkerung, die nur arbeitete, wenn es eine Ernte gab. Eine mutige Kommunistische Partei, immer unter Verfolgung und mit Einfluss in den Gewerkschaften, aber nicht darüber hinaus. Eine Partei, die zudem diszipliniert der Linie Moskaus folgte, wo die Bedeutung des Angriffs auf die Moncada-Kaserne erst lange nach dessen Durchführung begriffen wurde«, so Prieto über die Bedingungen im Juli 1953. Nicht nur die KPdSU oder die Regierung in Moskau hielten die Bedingungen für eine soziale Revolte in Kuba für nicht gegeben. Auch Milton Eisenhower, der Bruder des US-Präsidenten, erklärte nach einer Mission des »guten Willens« durch verschiedene Staaten Lateinamerikas am 26. Juli 1953 auf einer Pressekonferenz: »In unserer Hemisphäre hat der Kommunismus keine Chance.«

Doch der Moncada-Angriff habe mit allen konventionellen Einschätzungen und Dogmen gebrochen, schrieb Abel Prieto über das Ereignis, das Kubas Weg zum Sozialismus entscheidend beeinflusst hat. Einem »schematischen Verständnis des Marxismus zufolge« habe es am 26. Juli keine objektiven Bedingungen für eine radikale Revolution in Kuba gegeben. Aber, so Prieto weiter, »für Fidel, Raúl und die anderen jungen Männer, die die Moncada stürmten, hatten subjektive Bedingungen 1953 eine günstige revolutionäre Situation geschaffen. Es gibt eine aufschlussreiche Bemerkung dazu, die Che genau am 26. Juli 1967 in seinem Bolivianischen Tagebuch notiert hat. Dort schreibt er, dass er an diesem Abend den Guerillakämpfern einen kurzen Vortrag über die Bedeutung des 26. Juli gehalten hat; über die Rebellion gegen die Oligarchien und gegen die revolutionären Dogmen. Eine unglaubliche Synthese des doppelten Bruchs, den die Moncada-Aktion bedeutete: der Beginn eines frontalen Angriffs gegen die reaktionären Kräfte und ein Akt, der alle Dogmen darüber, wie man eine Revolution macht, in Fetzen riss.«

Was Prieto da in seiner Analyse festhielt, könnte eine der Erklärungen für die bis heute anhaltende Ausstrahlung und Faszination der nur auf den ersten Blick gescheiterten Aktion vom 26. Juli 1953 vor allem in linken Bewegungen der lateinamerikanischen Länder sein. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador beglückwünschte das kubanische Volk am 26. Juli vergangenen Jahres während einer Pressekonferenz vor einem riesigen Gemälde von José Martí zu dem »historischen Jahrestag«. Brasiliens heutiger Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva würdigte den Moncada-Angriff als ein »wichtiges Ereignis« auf dem Kontinent, und Boliviens Staatsoberhaupt Luis Arce bezeichnete die Attacke als »Beginn einer antiimperialistischen Revolution«, um nur einige der heute agierenden Politiker zu nennen.

Vom Anwalt zum Comandante

Zunächst war es Fidel Castro und seinen Anhängern allerdings vor allem darum gegangen, die Herrschaft und das System eines Tyrannen zu beenden. Der ehemalige Sergeant Fulgencio Batista hatte am 10. März 1952 – 80 Tage vor bereits eingeleiteten Wahlen – mit einer Gruppe von Armeeoffizieren die Macht per Staatsstreich an sich gerissen. Die einheimische Herrschaftsclique und Washington unterstützten ihn, um den befürchteten Sieg einer oppositionellen linksliberalen Partei zu verhindern, der auch Castro angehörte. Batistas erster Weg nach dem Putsch führte ihn zum Botschafter der USA, und als erste Maßnahme setzte er die Verfassung außer Kraft. US-Präsident Harry S. Truman erkannte das Regime bereits siebzehn Tage nach dem Staatsstreich an und sicherte wirtschaftliche wie militärische Unterstützung zu. Zuvor hatte Trumans Botschafter in Havanna den Putschisten deutlich gemacht, dass Washington nur einen Antikommunisten und Förderer des US-Privatkapitals an der Spitze Kubas akzeptieren werde. Die USA führten schließlich in Korea einen Krieg gegen »die Kommunisten«. Batista hatte verstanden und ließ erst einmal die Maidemonstrationen der Gewerkschaften verbieten. Noch im selben Monat überfiel die Polizei die Redaktionsräume von Hoy, der Zeitung der Sozialistischen Volkspartei, wie sich die Kommunistische Partei zu dieser Zeit in Kuba nannte. Im Laufe des Jahres wurde die Partei verboten. Darüber hinaus beauftragte Batista den Geheimdienst »Servicio de Inteligencia Militar« (SIM), der für ihn zugleich die Funktionen der Polizei, der Gerichtsbarkeit und des Scharfrichters ausübte, jede Opposition im Keim zu ersticken. Bis zum Sieg der Revolution wurden in seinen Kerkern rund 20.000 Oppositionelle ermordet und Zigtausende Oppositionelle von SIM-Folterspezialisten misshandelt. Die USA und ihre Verbündeten störten sich nicht daran. Im Gegenteil: Im Mai 1957 wurde Batista mit der »Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland«, dem höchsten Orden, den die BRD vergibt, ausgezeichnet.

Bevor der junge Rechtsanwalt Fidel Castro sich für den bewaffneten Widerstand entschied, hatte er versucht, Demokratie und Verfassung mit friedlichen Mitteln zu verteidigen. Eine Klage gegen die Putschisten wurde vom Obersten Gerichtshof jedoch abgewiesen. Castro erklärte daraufhin, »nach Ausschöpfung aller legalen Mitte« sei nun das Widerstandsrecht des Volkes in Kraft getreten. Er rief zum gewaltsamen Sturz des Diktators auf und begann, eine militante Organisation aufzubauen, die er »Die Bewegung« (El Movimiento) nannte. Der Movimiento bestand aus einem zivilen Teil für die politische Agitation mit Zeitungen, Flugblättern und Versammlungen, sowie einem militärischen Teil, dessen Aufgabe es war, eine bewaffnete Rebellentruppe aufzustellen. Als ersten Schritt für eine landesweite Erhebung entwickelte Castro einen Plan, den bis zum letzten Moment außer ihm nur fünf Mitglieder der Bewegung kannten. Er hatte die elegante Kleidung eines Anwalts, wie sich später zeigte, endgültig gegen die olivgrüne Felduniform des Guerilleros eingetauscht.

Das Signal für den Aufstand gegen Batista sollte die Erstürmung der Militärkaserne Moncada bei Santiago de Cuba und des kleinen Militärpostens Céspedes bei Bayamo, einer etwa 90 Kilometer von Santiago entfernt gelegenen Stadt, genau in dem Jahr sein, in dem der kubanische Nationalheld und Freiheitskämpfer José Martí 100 Jahre alt geworden wäre. Der von Castro am 26. Juli 1953 angeführte Rebellenangriff wurde wegen mangelhafter Vorbereitung, unzulänglicher Bewaffnung und Fehlern bei der Koordinierung allerdings zu einem chaotischen Himmelfahrtskommando. Die meisten Teilnehmer wurden verhaftet, viele bestialisch gefoltert und ermordet, die Überlebenden vor ein Militärtribunal gestellt. »Keiner von uns, die wir das Privileg hatten, unter Fidels Kommando an diesen Aktionen teilzunehmen, hätte sich damals träumen lassen, dass wir einen Tag wie heute erleben würden, in einem freien, unabhängigen und souveränen Land, mit einer sozialistischen Revolution an der Macht und einem Volk, das bereit ist, zu verteidigen, was mit den Opfern mehrerer Generationen von Kubanern erreicht wurde«, gestand Fidels jüngerer Bruder Raúl vor fünf Jahren auf der Feier zum 65. Jahrestag in Santiago de Cuba.

Moncada-Prozess

Das Militärgericht verurteilte Fidel Castro als Anführer der Revolte zu 15 Jahren Haft. Auch alle anderen sollten für Jahre hinter Gitter. Mit Raúl und den weiteren überlebenden »Moncadisten« wurde Fidel in ein Gefängnis auf der rund 90 Kilometer südlich von Havanna im Karibischen Meer gelegenen Isla de Pinos gebracht. Die Verbindung zu den Genossen außerhalb des Gefängnisses hielten die Inhaftierten über harmlos wirkende kleine Briefe. Zwischen deren Zeilen schrieb Fidel mit unsichtbarem Zitronensaft, der sich bei Erwärmung verfärbt, seine frei gehaltene zweistündige Verteidigungsrede, die Helfer in Streichholzschachteln aus dem Gefängnis schmuggelten. Auf diesem Weg gelangte Castros berühmtes Plädoyer mit dem Titel »Die Geschichte wird mich freisprechen« an die Öffentlichkeit. Diese Rede vom 16. Oktober 1953 war das erste programmatische Manifest der Kubanischen Revolution und zählt bis heute zu ihren bedeutendsten Dokumenten.

Im Moncada-Prozess hatte Fidel Castro seine Verteidigung zur Anklage gegen das Batista-Regime genutzt. Er bestand auf dem Recht des Volkes, sich illegitimen Machthabern zu widersetzen, und prangerte die Regierung des Diktators für die sozialen Missstände in Kuba an. Nicht der Angriff auf die Kasernen sei unbegreiflich, hielt er den Militärrichtern entgegen, sondern »dass hier Kinder leben, die medizinisch nicht betreut werden, dass dreißig Prozent unserer Bauern ihren Namen nicht schreiben können und neunundneunzig Prozent von ihnen die Geschichte Kubas nicht kennen. Unvorstellbar ist, dass die Mehrheit der Familien auf dem Land unter schlechteren Bedingungen lebt als die Ureinwohner, die Kolumbus hier einst vorfand«, sagte er.

In seiner Rede verwies Fidel Castro zunächst auf sozialpolitische Zielvorstellungen, die José Martí bereits 1895 für eine revolutionär-demokratische Volksrevolution formuliert hatte, die jedoch auch 60 Jahre nach dem Tod des Freiheitskämpfers noch auf ihre Verwirklichung warteten. Ein von Martí formuliertes Agrarreformprogramm, sein Projekt einer Bildungsreform und seine Forderung nach völliger politischer und ökonomischer Unabhängigkeit bildeten das programmatische Fundament der Ausführungen Fidels. Während Martí bereits die Prinzipien einer egalitären Gesellschaft formuliert hatte, ging der im Prozess 27 Jahre alte Castro darüber hinaus. Trotz der bevorstehenden Haft war er vom Sieg der Rebellen und ihrer Ideen überzeugt. Castro stellte die Eckpunkte des Programms einer revolutionären Regierung vor und kündigte fünf Gesetze an, die nach der Eroberung der Macht erlassen werden würden. Als erstes sollte die nationale Souveränität wiederhergestellt und die fortschrittliche Verfassung von 1940 verwirklicht werden, bis das Volk eine andere annimmt. Das zweite Versprechen betraf eine Agrarreform, die das Land in den Besitz derer überführen sollte, die es bestellten. Ein drittes Gesetz werde Arbeitern und Angestellten einen Teil des Profits der Unternehmen garantieren. Durch eine vierte Maßnahme sollten Kleinbauern am Ertrag für das Zuckerrohr beteiligt werden. Das fünfte Revolutionsgesetz werde schließlich die Enteignung von Unternehmen und Vermögen, die durch Betrug oder Korruption entstanden waren, zum Ziel haben. Einige dieser Punkte entsprachen Forderungen der verbotenen Sozialistischen Volkspartei.

M-26-7

Wachsende Proteste von Gewerkschaftern, Landarbeitern und Studenten begannen sich negativ auf Batistas internationales Ansehen auszuwirken. Als sogar einige seiner antikommunistischen Freunde auf Distanz gingen, versuchte der Diktator sich einen demokratischen Anstrich zu geben. Nachdem er sich im November 1954 in einer Wahlfarce ohne Gegenkandidaten als »Präsident« hatte bestätigen lassen, verkündete der Diktator ein halbes Jahr später eine Generalamnestie, wohl auch in der Hoffnung, damit weiteren Unruhen entgegenzuwirken. Am 15. Mai 1955 durften die politischen Häftlinge auf der Isla de Pinos das Gefängnis verlassen. Während der Überfahrt zur Hauptinsel beschlossen sie, ihrer Gruppierung – zur ständigen Erinnerung an den Moncada-Angriff – den Namen »Bewegung des 26. Juli« (Movimiento 26-7, kurz M-26-7) zu geben.

Castro hatte seine Rede bewusst als programmatisches Manifest formuliert, um die zerstrittenen Batista-Gegner um seinen Movimiento zu scharen und auf einheitliche Ziele einschwören zu können. Zweifel am Erfolg ließ er nicht gelten. Im Sinne José Martís entgegnete er denjenigen, die auf die zahlenmäßige Schwäche der linken Kräfte hinwiesen: »Es sind die Ideen, die die Welt verändern, so wie Werkzeuge einen Gegenstand.« Um die in seiner Verteidigung dargestellten Ziele umsetzen zu können, reorganisierte Castro sofort – wie auf der Überfahrt beschlossen – die Widerstandsgruppe der »Bewegung des 26. Juli«. Als offizieller Gründungstag des »M-26-7« mit den Symbolfarben Rot-Schwarz gilt der 12. Juni 1955. Die Fahnen mit diesen Farben und dem »M-26-7«-Schriftzug beherrschen in diesen Tagen das Straßenbild fast aller Städte und Dörfer in Kuba.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 26.07.2023