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Nachrichten aus und über Kuba

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Einmischung abgewehrt

Kubaner haben neue Nationalversammlung gewählt. Hohe Beteiligung trotz Störversuchen von Gegnern.


Hintergrund: Direkte Demokratie

In Kuba finden alle fünf Jahre nationale Wahlen statt, bei denen die Abgeordneten der »Asamblea Nacional« gewählt werden. Auf der konstituierenden Sitzung des Parlaments wählen die Volksvertreter das Präsidium der Nationalversammlung, die Mitglieder des Staatsrats, das Staatsoberhaupt der Republik und dessen Stellvertreter sowie – auf Vorschlag des neuen Präsidenten – den Premierminister. Das Wahlgesetz garantiert »allgemeine, freie und geheime Wahlen« zu den Parlamenten (Asambleas) der Kommunen, Provinzen und auf nationaler Ebene. Kandidatur und Mandat sind in Kuba nicht von der Mitgliedschaft in einer Partei abhängig. Deshalb findet auch kein Parteienwahlkampf um Stimmen statt.

Während Wähler in westlichen Ländern nach der Stimmabgabe so gut wie keine Möglichkeit mehr haben, politische Entscheidungen zu beeinflussen, hat Kuba sich nach dem Sieg der Revolution für ein alternatives Modell mit einer direkten Demokratie entschieden. Wichtige politische Entscheidungen werden vor einer Beschlussfassung des Parlaments in Versammlungen landesweit zur Diskussion gestellt und können von den Bürgern beeinflusst werden.

»In der Republik Kuba liegt die Souveränität unübertragbar beim Volk, von dem sich die gesamte Staatsgewalt ableitet. Das Volk übt sie direkt oder über die Volksversammlungen (Asambleas del Poder Popular) und andere von ihnen abgeleitete Staatsorgane aus«, heißt es in Artikel 3 der in dem Referendum 2019 mit 86,8 Prozent der Stimmen angenommenen Verfassung. Da keine Parteien, sondern Personen kandidieren, erfolgt deren Nominierung in Nachbarschafts- und Betriebsversammlungen, durch die Gewerkschaften, die Organisationen der Frauen und der Jugend oder andere gesellschaftliche Verbände. Die Bewerber stellen sich dann in den Wahlbezirken vor und werden dort direkt gewählt. Abgeordnete sind ihren Wählern jederzeit zur Rechenschaft verpflichtet und können von ihnen – auch zwischen den Wahlterminen – wieder abgesetzt werden.

(vh)

Die Gegner des kubanischen Gesellschaftsmodells dürften enttäuscht sein: Ihre Hoffnung, dass der Frust vieler Menschen über die Folgen der Blockade und andere Probleme zu einer niedrigen Wahlbeteiligung führen würde, ist nicht erfüllt worden. Knapp 6,2 der 8,1 Millionen Wahlberechtigten gaben am Wochenende ihre Stimme ab, um die 470 Abgeordneten der »Nationalversammlung der Volksmacht« (ANPP), des höchsten gesetzgebenden Organs des Karibikstaates, für die nächsten fünf Jahre zu wählen.

Wie die Präsidentin des Nationalen Wahlrates (CNE), Alina Balseiro, am Montag mittag (Ortszeit) mitteilte, lag die Wahlbeteiligung nach dem vorläufigen Endergebnis mit 75,92 Prozent zwar etwas niedriger als bei der Parlamentswahl im Jahr 2018 (78,57 Prozent), aber höher als angesichts der wirtschaftlichen Probleme des Landes erwartet worden war. »Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen können wir feststellen, dass der Aufruf unserer Feinde zur Wahlenthaltung in den Netzwerken und digitalen Medien gescheitert ist«, hatte der Schriftsteller und Präsident des Kulturinstituts Casa de las Américas, Abel Prieto, schon am Sonntag abend erklärt.

Balseiro unterstrich, dass die Wahlbeteiligung im Vergleich zu den letzten Abstimmungen wieder gestiegen ist und 1,8 Prozentpunkte über der beim Referendum zum neuen Familiengesetzbuch im September vergangenen Jahres sowie 7,36 Prozent über der Beteiligung bei den Kommunalwahlen im November 2022 lag. Die spanische Agentur Efe kommentierte, dass die diesjährige Teilnahme in Kuba auch »im Vergleich zu allen Ländern der westlichen Hemisphäre und zu vielen liberalen Demokratien« hoch gewesen sei. Die Wahlen könnten allerdings nicht mit denen in diesen Ländern verglichen werden, da »das politische System Kubas gewissermaßen plebiszitär ist«, so Efe. Die Agentur verwies darauf, dass die Bevölkerung der Karibikinsel – anders als in den repräsentativen Demokratien des Westens – in wichtigen politischen Fragen unmittelbar Entscheidungen treffe.

Außenminister Bruno Rodríguez erklärte bei seiner Stimmabgabe in einer Schule in Havanna vor Journalisten, das kubanische Wahlverfahren sei »weitgehend demokratisch«, und es sei »schwierig, ähnliche Systeme zu finden, bei denen die Kandidaten mehr als die Hälfte der tatsächlichen Stimmen erhalten müssen, um gewählt zu werden«. Rodríguez betonte, dass der demokratische Prozess mit der offenen Nominierung der Kandidaten beginne und sich mit einer »effektiven und dauerhaften Beteiligung der Bürger an den grundlegenden Entscheidungen des Landes« fortsetze. Rodríguez räumte ein, dass sich »die Zeiten geändert haben und die Welt derzeit eine Systemkrise erlebt«, womit er auf die Auswirkungen wirtschaftlicher Probleme auf die Stimmung im Land anspielte.


Er fuhr fort: »Die Situation ist angespannt, das wissen wir. Die 243 extraterritorialen Maßnahmen, die der ehemalige US-Präsident Donald Trump verhängt hat und die von der derzeitigen Regierung unter Joseph Biden fast unverändert aufrechterhalten werden, haben die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen unser Land auf ein Niveau gebracht, wie es seit mehr als sechs Jahrzehnten beispiellos ist.« Auch die KP-Zeitung Granma hatte am Mittwoch vor den Wahlen auf das verschärfte Embargo als eine der Ursachen der Krise verwiesen.

Wie mittlerweile üblich, gab es auch bei diesen Wahlen Einmischungsversuche durch ausländische Akteure, vor allem aus den USA. Politiker wie der Staatssekretär im Außenministerium, Brian A. Nichols, und der ultrarechte Senator Marco Rubio hatten den Wahlprozess vorab als »Farce« denunziert. Contragruppen außerhalb der Insel griffen deren Formulierungen auf und starteten eine Kampagne zum Wahlboykott, die vermutlich mehr auf Medien und Öffentlichkeit im Ausland als auf die Wähler in Kuba zielte. So veröffentlichte die von der regierungsnahen US-Stiftung »National Endowment for Democracy« (NED) finanzierte und in Madrid von Systemgegnern publizierte Onlinezeitung Diario de Cuba am Freitag einen Beitrag, in dem der katholische Geistliche Alberto Reyes Pías erklärte, wer zur Wahl gehe, würde damit »ein politisches System bestätigen«. Bereits im August vergangenen Jahres hatte Reyes in dem ebenfalls vom NED finanzierten Onlineportal Cubanet mit Sitz in Miami ausgeführt, was er damit meint. Der antikommunistische Priester klagte: »Warum hat Gott zugelassen, dass der Kommunismus nach Kuba kommt? Warum hat Gott nicht nur zugelassen, dass diese Diktatur mehr als 63 Jahre andauert?«

Am Morgen des Wahltages veröffentlichte das staatliche US-Propagandaportal Radio und TV Martí dann eine »Liste von Gründen, nicht zu wählen«. Im selben Beitrag kündigte die Contraorganisation »Cubalex« – bereits vor Öffnung der Wahllokale – an, »eine Liste der repressiven Maßnahmen« veröffentlichen zu wollen, die offenbar erwartet oder erhofft und dann am Montag tatsächlich gemeldet wurden. Zugleich wurde im Internet die gefälschte Nachricht verbreitet, dass Kubaner, die ihr Wahlrecht ausübten, den Anspruch auf eine »humanitäre Ausnahmegenehmigung« der Biden-Regierung zur Einwanderung in die USA verwirken würden. »Die Hass- und Desinformationsmaschinerie versucht, kubanische Bürger zu manipulieren, damit sie nicht zur Wahl gehen«, beschrieb Prensa Latina das Ziel derartiger Fake News. Was hinter der Kritik an den Wahlen in Kuba auch steckt, offenbarte die Organisation »Transparencia Electoral«, der US-amerikanische, kubanische und venezolanische Antikommunisten angehören. »Transparencia Electoral« forderte laut dem US-Staatssender Radio und TV Martí, »dass es für einen legitimen Wahlprozess auf der Insel notwendig sei, die Unumstößlichkeit des sozialistischen Modells abzuschaffen«.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 28.03.2023