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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Willkommener Vorwand

Vor 125 Jahren explodierte die »USS Maine« im Hafen von Havanna. Zwei Monate später führten die USA Krieg gegen Spanien.

Am 15. Februar 1898 versank im Hafen von Havanna der US-amerikanische Panzerkreuzer »USS Maine«. Die Explosion, deren Ursache nie eindeutig geklärt wurde, lieferte Washington den Vorwand für einen Krieg gegen Spanien. Als kubanische Rebellen ihren Unabhängigkeitskrieg gegen die alte Kolonialmacht schon so gut wie gewonnen hatten, übernahmen die USA nach dem Sieg über das iberische Königreich dessen Kolonien Kuba und Puerto Rico sowie die Philippinen. Lenin bezeichnete den spanisch-amerikanischen Krieg als den »ersten Krieg der Imperialisten für die Umverteilung der bereits verteilten Welt«. Mit ihm habe »ein neuer Abschnitt der Geschichte, die Epoche des Imperialismus« begonnen, schrieb er in seinem 1916 erschienenen Werk »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus«. Die historische Tragik bestand darin, dass der antikoloniale Befreiungskampf der kubanischen »Mambises« am Ende auch dazu geführt hatte, den Einflussbereich der USA zu stärken.

Die Expansion in andere Länder sei zum Zeitpunkt des Krieges gegen Spanien allerdings keine neue Idee gewesen, erinnerte der US-amerikanische Historiker Howard Zinn unter Verweis auf die Vorgeschichte. Im Juli 1821 hatte der Militärgouverneur und spätere Präsident Andrew Jackson die Kontrolle über die spanische Kolonie Florida übernommen, und 1845 annektierten die USA Texas. Um das Wiedererstarken des europäischen Einflusses zu verhindern, hatte Präsident James Monroe bereits 1823 eine »Zeitenwende in der Außenpolitik« formuliert. Die nach ihm benannte Monroe-Doktrin sollte die »Einmischung anderer Länder« auf dem amerikanischen Kontinent verhindern. »Wir werden jeden Versuch, ihren Einfluss auf jedweden Teil dieser Hemisphäre auszudehnen, als gefährlich für unseren Frieden und unsere Sicherheit betrachten«, erklärte Monroe. Jede Verletzung ihres Anspruchs würden die USA mit militärischen Maßnahmen beantworten. Im Kern wurde mit der Doktrin der gesamte Kontinent zur Hemisphäre und zum Hinterhof Washingtons erklärt.

Spanien verdrängen

Laut Howard Zinn hatten Geschäftsleute auf der Suche nach neuen Absatzmärkten in den Jahren vor Kriegsbeginn ein wachsendes Interesse an Kuba gezeigt. »Sobald ausländische Märkte erst einmal als wichtig für den Wohlstand betrachtet wurden, konnten expandierende Taktiken, selbst Krieg, breiten Zuspruch gewinnen«, so der Historiker. »Der Zuspruch würde um so stärker ausfallen, wenn die Expansion wie ein Akt der Großzügigkeit aussah – zum Beispiel einer Gruppe Aufständischer zu helfen, sich von ausländischer Herrschaft zu befreien«, beschreibt er die »subtile imperialistische Vorgehensweise«. In der US-amerikanischen Bevölkerung gab es zu dieser Zeit große Sympathien für die kubanischen Rebellen, weil sie wie die Nordamerikaner 1776 einen Krieg zu ihrer eigenen Befreiung führten.

Der Regierung in Washington ging es jedoch um anderes. Vertreter der Wirtschaft, Politiker und Medien hatten mit Blick auf Kuba eher Expansion und Profit im Sinn. Ein Krieg gegen Spanien war eine Option, falls der Zugriff auf Ländereien und den wachsenden Markt der Zuckerinsel nicht anders gelingen sollte. Zinn erwähnt einen Brief, in dem der spätere Präsident Theodore Roosevelt 1897 an einen Freund schrieb: »Ganz unter uns (…), ich würde fast jeden Krieg willkommen heißen, denn ich denke, dieses Land braucht einen Krieg.« Schon frühzeitig feilten US-Politiker an einer »Sprachregelung« für die internationale Öffentlichkeit. »Sollte es sich durch unsere Verpflichtungen gegenüber uns selbst, der Zivilisation und der Menschheit als erforderlich erweisen, mit Gewalt einzugreifen, dann muss die Notwendigkeit einer solchen Aktion so klar sein, dass sie die Unterstützung und Billigung der zivilisierten Welt erhält«, erklärte US-Präsident William McKinley am 6. Dezember 1897 in einer Botschaft an den Kongress.

Parallel dazu begannen große Medien eine Kampagne, in der die Spanier als monströse »Untermenschen« dargestellt wurden, gegen die Krieg zu führen als geboten und gerecht erschien. Besonders engagiert schürte der Verleger William Randolph Hearst, einer der reichsten Männer der Welt, mit auflagenstarken Zeitungen den Hass. Zwei Jahre vor Kriegsbeginn berichtete sein Massenblatt New York Journal über eine Visitation an Bord des Dampfers »Olivette«, bei der Zöllner US-Bürger, darunter eine junge Frau, kontrollierten, mit der Schlagzeile: »Spanische Bestien reißen auf US-Schiff junger Amerikanerin Kleider vom Leib«. Es half nichts, dass die Meldung später als Fake entlarvt wurde. Als Evangelina Cisneros, eine andere junge Frau, von den Spaniern wegen Teilnahme an einem Gefangenenaufstand zu 20jähriger Verbannung verurteilt wurde, wies Hearst seine Redakteure an: »Jetzt haben wir sie, wo wir sie haben wollen. Es muss eine weltweite Protestbewegung in Gang gesetzt werden – da darf kein Auge trocken bleiben.« In wenigen Tagen sammelte der Zeitungszar Unterschriften von 200.000 Frauen, die sich über das »Verbrechen« empörten. Die Zeit schien reif für den Krieg.

Anfang 1898 beschloss der Kongress, das Schlachtschiff »USS Maine« nach Havanna zu schicken. Die Ankunft am 25. Januar war ein weiteres Druckmittel der USA gegen die spanische Regierung, mit dem der Kriegseintritt vorbereitet wurde. Mit einer Länge von 100 Metern, mit zehn Kanonen, vier Torpedorohren und mehr als 350 Mann Besatzung an Bord war die schwer gepanzerte »Maine« das größte Kriegsschiff, das je in den Hafen von Havanna eingelaufen war. Doch am 15. Februar um 21.40 Uhr versenkte eine Explosion das vor Anker liegende Ungetüm, das mehrere Tonnen Schießpulver geladen hatte. Während der größte Teil der Besatzung bei der Explosion ums Leben kam, hielten sich die leitenden Offiziere zu diesem Zeitpunkt an Land auf. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob das Schiff durch einen Brand, der auf das Munitionsdepot übergriff, explodierte oder auf Befehl der US-Regierung gesprengt wurde, um einen Vorwand für den Krieg mit Spanien zu liefern.

Hearsts Hetze

Noch bevor Untersuchungen zur Explosionsursache aufgenommen wurden, hatten Regierung und Medien der USA ihre antispanische Kampagne verschärft. »Wer zerstörte die Maine?« fragte das New York Journal am Tag nach dem Unglück auf der mit einem dicken schwarzen Trauerrand versehenen Titelseite. Auf einer anderen Seite lautete die riesige Überschrift: »Die spanischen Untermenschen sind die Mörder«. Die Zeitung setzte eine Belohnung von 50.000 US-Dollar für die Ergreifung der »Verbrecher« aus, »die amerikanische Seeleute getötet haben«. Geschäftsleute, die Spanien verdrängen und von einem Krieg profitieren wollten, unterstützten die Kampagne. Die Chance auf einen Krieg habe »den Eisenhandel entschieden belebt«, schrieb die Wirtschaftszeitung Chattanooga Tradesman. Laut Howard Zinn triumphierte ein »kriegstreiberischer Geist, geschürt von den Herstellern der Projektile, Geschütze, Munition und anderer Ausstattung«.

Um die Bevölkerung für den Krieg zu begeistern und die Stimmung anzuheizen, ließ Hearst überall Plakate mit der Botschaft aufhängen: »Remember the Maine! To hell with Spain!« (Denken Sie an die Maine! Zur Hölle mit Spanien!). Als es auf Kuba im März – trotz der Propaganda – noch immer ruhig war, schrieb Frederick Remington, ein Karikaturist des New York Journal, aus Havanna an seinen Chef: »Es gibt hier keinen Krieg. Ich bitte darum, zurückgeschickt zu werden.« Hearst antwortete: »Bleiben Sie dort. Sie liefern uns Bilder, und ich sorge für den Krieg.« Gewerkschafter und Sozialisten, die vor den Folgen warnten, hatten gegen die kriegslüsternen professionellen Meinungsmacher keine Chance. »Ein gigantischer Plan der Kapitalisten wird hier ersonnen«, kritisierte das Organ der Gewerkschaft AFL, The Craftsman, die mittlerweile steigenden Preise in den USA. Am 19. April autorisierte der Kongress den Präsidenten, Armee und Flotte gegen die Spanier einzusetzen. »Das ist ein Krieg, bezahlt von den Armen. Die Reichen profitieren davon, wie immer«, warnte die Chicagoer Labor World. Doch während eine »Antikriegsparade« der Sozialistischen Arbeiterpartei zum 1. Mai 1898 in New York verboten wurde, fanden überall Aufmärsche der Kriegsbefürworter statt. Im Juli wurde die spanische Flotte vor Kuba vernichtet.

Im Frieden von Paris trat Spanien die Philippinen, Guam und Puerto Rico an die USA ab, während Kuba zum Protektorat wurde. Albert J. Beveridge, ein republikanischer Wortführer im Senat, begründete die US-Kolonialherrschaft mit »dem göttlichen Auftrag an die USA und unsere Rasse«, die westliche Zivilisation zu verbreiten, und beim Handel mit den europäischen Kolonialmächten gleichzuziehen. Mit dem Untergang der »Maine« rechtfertigten die USA einen lukrativen Krieg und die Ausdehnung ihres Machtbereichs in andere Teile der Welt. Bis heute verteidigt Washington Beutestücke aus dieser Zeit, darunter die noch immer besetzte Bucht von Guantánamo auf Kuba, das Protektorat Puerto Rico oder die faktische Kontrolle des Panama-Kanals.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 11.02.2023