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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Was Kuba zu lehren hat, in Zeiten einer Pandemie und darüber hinaus

Im Juli 2019 besuchte ich im Rahmen der Brigade zum 50. Jahrestag der Venceremos-Brigade das Kubanische Institut für Gen- und Biotechnologie (CIGB).
Gesundheitsfachkräfte
Foto: Sreenshot Internationalist 360°

Wir waren beeindruckt von den vielen wissenschaftlichen Fortschritten, die das Institut erzielt hat, darunter die Entwicklung von Interferonen zur erfolgreichen Bekämpfung von Viruskrankheiten wie Dengue und Ebola. Wir konnten uns kaum vorstellen, dass sich Kubas einzigartiges rekombinantes Alpha-2-B-Interferon (IFNrec) in weiteren sieben Monaten zu einem der antiviralen Medikamente der ersten Wahl entwickeln würde, das in China und in anderen Ländern der Welt zur Bekämpfung der globalen COVID-19-Pandemie eingesetzt wird.

Die Entwicklung dieses lebenswichtigen Interferons in Kuba findet nun auch in den wichtigsten US-Publikationen wie Newsweek breite Anerkennung. Seine wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritte durchbrechen die Desinformationsblockade der USA, die routinemäßig in der Lage ist, jeden Hinweis auf kubanische Errungenschaften zu unterdrücken oder zu verzerren. In einem kürzlich veranstalteten Webinar erklärten der kubanische Botschafter in den USA, José Ramón Cabañas, und andere medizinische Experten, dass IFNrec kein Heilmittel für COVID-19 ist, aber vorläufige Berichte sind vielversprechend und weisen auf die Wirksamkeit von IFNrec (in Kombination mit anderen Medikamenten) bei der Behandlung von COVID-19 hin. Mehr als 45 Länder auf der ganzen Welt haben Kuba um dieses wichtige Medikament gebeten, aber zu diesem Zeitpunkt ist es in den USA noch nicht erhältlich. US-amerikanische und kanadische Organisatoren haben eine Kampagne gestartet, um die Aufnahme von IFNrec in klinische Studien in den USA und Kanada und die Zulassung des Medikaments in den USA durch die FDA zu fordern.

Die US-Medien mussten auch widerwillig die beeindruckenden medizinischen Brigaden anerkennen, die Kuba in über 20 Länder entsandt hat und die medizinische und öffentliche Gesundheitsexpertise in Italien, Haiti, Jamaika, Angola, Südafrika und vielen anderen Ländern anbieten. Über 1200 kubanische Mediziner sind direkt am Kampf gegen COVID-19 beteiligt, und viele sind Teil der speziell ausgebildeten Internationalen Medizinischen Brigade Henry Reeve, die nach einem Amerikaner benannt ist, der im ersten kubanischen Unabhängigkeitskrieg 1868-1878 gegen den spanischen Kolonialismus kämpfte. Die Henry-Reeve-Brigade wurde 2005 zum Teil als Reaktion auf den Hurrikan Katrina gegründet, obwohl das Angebot Kubas, medizinisches Personal zur Hilfe in New Orleans zu entsenden, von Präsident Bush abgelehnt wurde.

Die US-Regierung hat versucht, die medizinische Solidarität Kubas zu diffamieren, indem sie behauptet, dass dies nur aus finanziellen Gründen geschieht. Kubas Außenminister Bruno Parrilla twitterte als Antwort auf die jüngsten Anschuldigungen: "Während Covid-19 die Menschheit bedroht, behindert die US-Regierung leider den Kampf gegen die Epidemie, indem sie Länder angreift, die Solidarität und internationale Zusammenarbeit praktizieren, anstatt das illegale System einseitiger Zwangsmaßnahmen, wie die Blockade gegen Kuba, zu beenden." Am 31. März konnte ein Flugzeug mit medizinischen Hilfsgütern aus China, darunter Masken, Diagnosesets und Beatmungsgeräte, aufgrund des Helms-Burton-Gesetzes von 1996 nicht in Kuba landen, ein Gesetz, das die Bestimmungen der seit 1960 bestehenden Blockade der US-Regierung gegen Kuba ernsthaft verschärfte.

Am 16. April veröffentlichte das kubanische Außenministerium einen dringenden Aufruf zur Zusammenarbeit und Solidarität zwischen den Nationen, in dem es die Reaktion Kubas auf die Krise im Kontext der globalen politischen Wirtschaft zusammenfasste: "Die Pandemie ist entstanden und hat sich ausgebreitet, inmitten eines Szenarios, das zuvor durch überwältigende wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten innerhalb und zwischen den Nationen gekennzeichnet war. Wenn den Entwicklungsländern nicht der Zugang zu lebenswichtigen medizinisch-pharmazeutischen Technologien garantiert wird und neoliberale wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen von den USA und anderen Ländern aufgehoben werden, wird es keine Möglichkeit geben, auf die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zu reagieren, die auch ohne eine Pandemie jedes Jahr Millionen von Menschen, darunter Kinder, Frauen und ältere Menschen, töten".

Trotz der gnadenlosen US-Blockade, die Kuba daran hindert, medizinische Hilfsgüter und andere lebenswichtige Ressourcen zu importieren, nutzt Kuba die vielen Stärken seines renommierten, kostenlosen öffentlichen Gesundheitssystems, um COVID-19 auf der Insel zu bekämpfen. Kuba hat das weltweit höchste Verhältnis von Ärzten zur Bevölkerung, was ihm einen großen Vorteil im Kampf gegen die Pandemie verschafft. 28.000 Medizinstudenten gehen unter der Aufsicht eines Professors im ganzen Land von Tür zu Tür und erkundigen sich, ob jemand Atembeschwerden hat. Wenn es Symptome gibt, wird die Person sofort zu einem Hausarzt in der Gegend geschickt und, falls gerechtfertigt, in ein örtliches Krankenhaus zur Untersuchung. Wie Susana Hurlich, eine Kanadierin, die seit 30 Jahren in Kuba lebt, erklärt, besteht die Logik des kubanischen Kampfes gegen das COVID-19 darin, "die Menschen über die Prinzipien der Disziplin, Zusammenarbeit und Solidarität aufzuklären und zu mobilisieren und sie ständig auf dem Laufenden zu halten, damit sie sich aktiv und verantwortungsbewusst am Kampf gegen das Coronavirus beteiligen können".

In einem kürzlich in der New Yorker Zeitung Indypendent erschienenen Artikel wurde hervor-gehoben, wie eine in Kuba ausgebildete amerikanische Ärztin ihre Ausbildung in der South Bronx, wo sie derzeit arbeitet, in die Praxis umsetzt. Dr. Melissa Barber studierte an der ELAM, der Lateinamerikanischen Schule für Medizin, die Stipendien an Menschen in den USA vergibt, die sich verpflichten, ihren Doktortitel zu nutzen, um in unterversorgten Gemeinden zu arbeiten. Dr. Barber erklärt, wie ihre Ausbildung in Kuba die Grundlage für den gemeinschaftsorganisierenden Ansatz bildete, den sie jetzt in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen im Kampf gegen COVID-19 anwendet. "Jeder, der im kubanischen Gesundheitssystem geschult wurde, weiß, wie man den Gesundheitszustand einer Gemeinschaft beurteilt und in Notsituationen eine Übersicht über das Geschehen hat... Eine der größten Ideen, die aus der kubanischen Revolution hervorging, war, dass jeder als Menschenrecht Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Bildung haben sollte."

Doch als Bernie Sanders es wagte, die kubanischen Errungenschaften in den Bereichen Alphabetisierung und Gesundheit in der Sendung -60 Minuten- im Februar anzuerkennen, war die Gegenreaktion unmittelbar und heftig, nicht nur von Republikanern, sondern auch von vielen Teilen der Demokratischen Partei, die ihn beschuldigten, ein "autoritäres Regime" zu loben. Die Dämonisierung Kubas als autoritär und antidemokratisch ist eine Binsenweisheit in der amerikanischen Politik, die niemand herauszufordern wagt. Diese verzerrte Charakterisierung geht Hand in Hand mit den erklärten Zielen der Blockade, Kuba zu einer "Demokratisierung" nach amerikanischem Vorbild zu bewegen.

Dieser Narrativ hat leider einen durchdringenden Einfluss auf progressive Perspektiven weit über die Demokratische Partei hinaus. Kubas Errungenschaften in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Umwelt sowie sein Engagement für internationale Solidarität mögen zwar anerkannt werden, aber sie werden gewöhnlich als Ausnahmen von dem betrachtet, was als die endemischen Probleme des politischen Systems Kubas angesehen wird. Das kubanische Modell der Volksdemokratie, das seit Beginn der Revolution als Alternative zur repräsentativen Demokratie entwickelt wurde, wird kaum untersucht oder eingehend studiert. Die Kubaner sahen, dass die repräsentative Demokratie, wie sie von den kapitalistischen Ländern entwickelt wurde, den Bedürfnissen der Konzerne, des wohlhabenden und internationalen Kapitals dienen sollte - und nicht den Bedürfnissen des Volkes. Sie machten sich daran, einen alternativen Ansatz zu schaffen, der das revolutionäre sozialistische Projekt besser widerspiegeln konnte. Das kubanische Modell entwickelt sich ständig weiter und wird innerhalb Kubas einer ständigen Prüfung unterzogen. Die kürzliche Verabschiedung einer neuen kubanischen Verfassung im Jahr 2019, auf der Grundlage umfassender Volksbefragungen, ist ein Beispiel dafür.

Arundhati Roy schrieb kürzlich: "Historisch gesehen haben Pandemien die Menschen gezwungen, mit der Vergangenheit zu brechen und sich ihre Welt neu vorzustellen. Diese ist nicht anders. Sie ist ein Portal, eine Pforte zwischen einer Welt und der nächsten".

Viele von uns hoffen, dass die Pandemie eine Chance für soziale Veränderungen bieten könnte, wenn wir gemeinsam den Weg nach vorn finden. Wir wollen auf den generativen Ausdruck von gegenseitiger Hilfe und Solidarität aufbauen, die in direktem Gegensatz zu den ausbeuterischen Strukturen von Rasse, Klasse, Geschlecht und Imperium erblühen, die durch die Pandemie in ihrer ganzen Brutalität bloßgelegt werden.

Dies ist der Moment, unsere Vision eines transformativen Wandels zu begründen, indem wir aus den Erfahrungen Kubas lernen. Seit Jahrzehnten hat Kuba seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, gegenseitige Hilfe und Solidarität innerhalb des Landes und international umzusetzen. Das kubanische System ist nicht perfekt, die Kubaner wären die ersten, die dem zustimmen würden. Und Kuba bietet keine Blaupause für die Arbeit, die jetzt innerhalb der USA geleistet werden muss. Aber Kuba bietet eine Geschichte und eine aktuelle Praxis, die wir in progressiven und linken Bewegungen sorgfältig studieren müssen. Sechzig Jahre anhaltender Kampf um den Aufbau einer neuen Gesellschaft, die nur neunzig Meilen von den kontinentalen Vereinigten Staaten entfernt ist, können uns sicherlich eine Menge lehren.

Es ist auch eine Zeit, in der wir Kuba energisch gegen die eskalierenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Angriffe der Trump-Administration verteidigen müssen. Wir haben eine entscheidende Verantwortung, für ein Ende der kriminellen Blockade Kubas durch die USA zu kämpfen, einschließlich aller Wirtschafts- und Reisesanktionen. Wir müssen fordern, dass die USA aufhören, Kubas globales medizinisches Hilfsprogramm zu untergraben. Wir sollten die FDA auffordern, die Zulassung von rekombinantem Interferon Alpha 2B zu beschleunigen und es in klinische Studien in den USA aufzunehmen.

Am 20. März beschrieb Präsident Miguel Diaz-Canel die Stärken, die Kuba in den Kampf gegen die Pandemie einbringt: "Wir haben gebildete, informierte, verantwortungsbewusste, mitfühlende und disziplinierte Menschen... Neben diesen Stärken haben wir die Ausbildung von mehr als 60 Jahren einer langen Reise des Widerstands in den harten Kriegen aller Art, die sie uns auferlegt haben. . . . Sei stark, Kuba, wir werden leben und wir werden sie überwinden!"

#Venceremos!

Diana Block ist Teilnehmerin der 10. und 50. Jubiläums Venceremos Brigade aus den USA und war sehr viele Jahre aktiv in der CUBAN5 Bewegung. Autorin verschiedener Bücher und Romane. Quelle: Internationalist 360°, 1. Mai 2020

Übersetzung: Jürgen Schmiedl
Freundschaftsgesellschaft-BRD-Kuba / Frankfurt