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Lizenz zum Töten

Boliviens Putschisten erteilen Polizei und Militär Freibrief gegen Protestierende. Massaker in Cochabamba. Kubas Ärzte ausgewiesen.

Das Putschistenregime in Bolivien hat mit Datum vom Freitag ein Dekret unterzeichnet, das Soldaten und Polizisten im Einsatz »zur Wiederherstellung der Ordnung und Stabilität« von Strafverfolgung freistellt. Wie aus dem am Wochenende bekanntgewordenen Wortlaut hervorgeht, erteilt die selbsternannte »Präsidentin« Jeanine Áñez darin den Einsatzkräften einen Freibrief auch für den Einsatz von Feuerwaffen gegen die seit dem Staatsstreich am 10. November anhaltenden Massenproteste. Selbst die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) – eine Einrichtung der von Washington dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) – verurteilte das Dekret am Sonnabend als Verletzung internationaler Standards, weil es die gewaltsame Repression befördere.

Nur einen Tag zuvor waren in Cochabamba mindestens neun Menschen getötet und über 100 weitere verletzt worden, als Polizei und Armee gegen eine Großdemonstration vorgingen, die eine Rückkehr des gestürzten Präsidenten Evo Morales forderten. Videoaufnahmen zeigen, wie Tausende Menschen die Flucht ergriffen und über ihnen Tränengaswolken aufstiegen, zahlreiche Schüsse waren zu hören. Bei allen Todesopfern handelte es sich um Demonstranten, alle wiesen Schusswunden auf, teilte der Repräsentant des bolivianischen Ombudsmanns, Nelson Cox, gegenüber Journalisten mit. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet kritisierte die »unnötige und nicht angemessene« Gewalt der Einsatzkräfte.

Die Beisetzung der Opfer gestaltete sich am Sonnabend zu einer weiteren wütenden Demonstration gegen das Regime. Die Repräsentanten der bäuerlichen Bevölkerung der Region setzten Áñez eine Frist von 48 Stunden, um ihren Rücktritt zu erklären, und verlangten vom Parlament den Erlaß eines Gesetzes über Neuwahlen innerhalb von 90 Tagen. Zudem forderten sie den sofortigen Rückzug des Militärs in die Kasernen, um weitere Massaker an der bolivianischen Bevölkerung zu verhindern. Bis diese Forderungen erfüllt seien, werde man die Blockade der Fernstraßen unbefristet fortsetzen.

Die seit dem Staatsstreich landesweit zu verzeichnende Sperrung wichtiger Verkehrsverbindungen durch Demonstranten hat inzwischen zu einem Mangel an Treibstoffen und Lebensmitteln in den größeren Städten geführt. Medienberichten zufolge verfügen die Tankstellen in El Alto und La Paz kaum noch über Benzin, die Preise für Eier, Fleisch und Gemüse sind innerhalb einer Woche um rund 30 Prozent gestiegen.

Unterdessen richtet sich die Repression der Putschisten auch gegen die internationalen Verbindungen der Regierung von Präsident Evo Morales. So erklärte das De-facto-Regime den Austritt des Landes aus der »Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas« (ALBA) und verwies die diplomatischen Vertreter Venezuelas des Landes. Ausgewiesen wurden auch mehrere hundert kubanische ärztinnen und Ärzte. Mehrere von ihnen wurden in der vergangenen Woche vorübergehend festgenommen und erst nach Intervention der Regierung in Havanna wieder freigelassen. An der am Freitag erfolgten Festnahme der Leiterin der medizinischen Brigade, Dr. Yoandra Muro Valle, waren Augenzeugen zufolge auch Vertreter der US-Botschaft in Bolivien beteiligt. Am Ort des Geschehens wurde ein nordamerikanisches Diplomatenfahrzeug gesehen, teilte Kubas Außenminister Bruno Rodríguez mit. Am Sonnabend kehrten die ersten 224 Kubaner in ihre Heimat zurück.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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André Scheer

junge Welt, 18.11.2019