Obama zu Besuch: »Wie geht's, Kuba?«

Historische Visite des US-Präsidenten / Regen und Außenminister Rodríguez beim Empfang / Regierungsgegnerinnen in Gewahrsam genommen.

Berlin. Ein heftiger Tropenregen und nur der Außenminister Bruno Rodríguez am Flughafen in Havanna: Der Empfang von US-Präsident Barack Obama in Kuba ist vielleicht etwas anders ausgefallen, als es der historische Anlass hatte erwarten lassen. Kubas Staatschef Raúl Castro wird Obama erst am Montag zu einer längeren Unterredung treffen, dann ist aber auch ein Staatsdinner geplant. Dennoch: Obama ist als erster amtierender US-Präsident seit fast 90 Jahren auf Kuba zu Besuch. Seine dreitägige Visite markiert den bisherigen Höhepunkt des Annäherungskurses zwischen den Ländern, die lange Zeit im Konflikt standen.

Obama und Castro hatten Ende 2014 eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den Gegnern aus den Zeiten des Kalten Kriegs eingeleitet. Die Air Force One des US-Präsidenten landete am Sonntag um 16.25 Uhr Ortszeit. Mit an Bord waren Obamas Frau Michelle und seine zwei Töchter Malia und Sasha. »Que bola, Cuba?« (Wie geht's, Kuba?) - im landestypischen Slang grüßte Obama über Twitter unmittelbar nach seiner Landung die kubanische Bevölkerung. Er freue sich darauf, die Kubaner zu treffen und zu hören, fügte der US-Präsident hinzu. Zu Beginn unternahmen Obama und seine Familie einen Spaziergang durch die Altstadt von Havanna.

Am Dienstag hält der US-Präsident eine vom Fernsehen übertragene Rede in einem Theater der Hauptstadt. Auch Treffen mit Privatunternehmern und Oppositionellen sowie der Besuch eines Baseballspiels stehen auf seinem Programm. Obama hatte bereits im Vorfeld angekündigt, bei seinem Treffen mit Präsident Castro auch über die Menschenrechtslage in Kuba sprechen zu wollen.

Wenige Stunden vor seiner Landung in Havanna waren dutzende Regierungsgegnerinnen festgenommen worden. Die von einigen Unterstützern begleiteten Aktivistinnen der Bewegung Damen in Weiß wurden am Sonntag nach einer Protestkundgebung in der Hauptstadt in Gewahrsam genommen. Bei dem Marsch in der Nähe einer Kirche forderten sie mehr Achtung für die Menschenrechte in Kuba.

Nach dem etwas ungemütlichen Auftakt war der Empfang der Präsidentenfamilie in der Kathedrale von Havanna umso herzlicher. Dort wurde sie von Kardinal Jaime Ortega, einem der Architekten der bilateralen Annäherung, begrüßt. Nach einem Treffen mit dem Personal der erst im vergangenen August wieder eröffneten Botschaft endete Obamas erster Tag auf kubanischem Boden mit einem Abendessen in einem »Paladar« - einem der privaten Restaurants, die erst seit wenigen Jahren in Kuba zugelassen sind.

»Vielleicht haben sie mich durchgelassen, weil sie mich mit meinem Rucksack für einen Touristen hielten«, sagte der 42 Techniker Ariel Hernandez, während er versuchte, einen Blick auf den US-Präsidenten und seine Familie zu werfen. Wie viele seiner Landsleute erwarte er sich viel von dem Besuch, sagte Hernandez weiter: »Wir hoffen auf die Zukunft - das ist ein großer Wandel«.

Erst am Freitag hatte Kubas Staatschef Raúl Castro Venezuelas Präsident Nicolás Maduro empfangen. Dabei bekräftigte Castro mit US-kritischen Tönen seine Solidarität mit dem Verbündeten Venezuela. Am Samstag traf Maduro dann Revolutionsführer Fidel Castro. Maduro ist ebenso wie sein Vorgänger Hugo Chávez ein scharfer Kritiker der US-Politik in Lateinamerika. Im Gegensatz zu dem venezolanischen Präsidenten wird Obama den 89-jährigen Revolutionsführer nicht treffen.

Vor Obama war überhaupt erst ein US-Präsident zu Besuch auf der Karibikinsel gewesen: Calvin Coolidge im Jahr 1928. Raúl Castro verfolgt eine vorsichtige Öffnungspolitik mit mehr Privatunternehmen, die aber strengen Auflagen unterliegen. Als Errungenschaften der Revolution von 1959 gelten unter anderem das gute Medizin- und Bildungssystem, die Sozialprogramme und gerade im Vergleich zu anderen Ländern der Region kaum vorhandene Obdachlosigkeit.

Castro setzt auf mehr ausländische Investitionen, besonders der Tourismussektor soll ausgebaut werden, um die Einnahmen des Staates zu stärken. 2018 könnte er die Macht an Vizepräsident Miguel Díaz-Canel (55) übergeben, der erst nach der Revolution geboren wurde. Ein Treffen Obamas mit Rauls Bruder und Revolutionsführer Fidel Castro (89) war nicht geplant.

Pünktlich zum Besuch Obamas wurden neue Fotos von Fidel Castro veröffentlicht. Auf dem Titel der Zeitung »Juventud Rebelde« war Castro im Gespräch mit Venezuelas sozialistischem Präsidenten Nicolás Maduro zu sehen, der die USA als imperialistisch und kapitalistisch attackiert. Die Annäherung seines Bruders und Nachfolgers als Staatschef mit den Vereinigten Staaten sieht Fidel skeptisch. Agenturen/nd

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Neues Deutschland, 21.03.2016