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Nachrichten aus und über Kuba

Nachrichten, Berichte, Reportagen zu aktuellen Entwicklungen, Hintergründen und Ereignissen in Kuba, internationale Beziehungen und der Solidarität mit Kuba.


Weil das Volk gebildet ist ...

Hans Modrow und Volker Hermsdorf blicken hoffnungsvoll auf Kuba.

Immer noch ist Kuba für viele, deren Herz links schlägt, die Insel der Hoffnung. Es scheint ein Wunder zu sein, dass sie es heute noch ist, da doch so viele Träume und Hoffnungen von einer anderen, besseren und gerechteren Welt in letzter Zeit zerschlagen und zertrümmert worden sind. Dieses Buch wirft neben vielen anderen Fragen vor allem die nach den Gründen für den Bestand der revolutionären Errungenschaften dieser Insel auf. Ein jüngerer Mann aus dem Westen stellt hier einem älteren Mann aus dem Osten viele Fragen, es sind weit über hundert, doch im Grunde führen sie alle auf die eine bohrende Frage zurück, die für uns geradezu zur Schicksalsfrage geworden ist. Dabei ist der Mann aus dem Osten, der hier um Auskunft ersucht wird, kein Irgendwer, sondern der letzte Ministerpräsident der DDR, Hans Modrow.

Neun Mal war Modrow auf Kuba, erst im vorigen Jahr zum letzten Mal; mehrmals ist er mit Fidel Castro zusammengetroffen. Einmal traf er sich nachts mit ihm und redete mit ihm ein paar Stunden, im Jahre 1993, als die DDR verschwunden und er kein Ministerpräsident, sondern Bundestagsabgeordneter war, und Fidel Genaueres von ihm wissen wollte.

Schon in den Jahren vor seinem ersten Kuba-Besuch war der junge Genosse Modrow und FDJ-Funktionär von den Nachrichten aus dem revolutionären Kuba fasziniert. Es waren Bücher erschienen, es gab Filme und Fernsehberichte. Berühmte Schriftsteller und Offiziere des spanischen Freiheitskampfes wie Ludwig Renn und Bodo Uhse waren 1961 mit jüngeren DDR-Schriftstellern beim ersten Schriftstellerkongress des revolutionären Kubas dabei. In diesem Jahr wurden die Banken und großen Zuckerbetriebe verstaatlicht, die fast alle in ausländischen Händen gewesen waren, und eine Alphabetisierungskampagne beendete den Bildungsnotstand.

Alle, die damals nach Kuba kamen, konnten am Strand der Schweinebucht sehen, wie dort die von der USA angestiftete und inszenierte Invasion gescheitert war - abgewrackte Landeboote, zerschossene Panzer, noch kenntliche Schützengräben im Sumpfland. 1500 geflüchtete Kubaner und andere südamerikanische Söldner waren hier angelandet, um die alten Herrschaften wieder an die Macht zu bringen; nun waren sie zumeist in Havanna in Gefangenschaft.

Kubanische Bücher, u. a. von Castro und Che Guevara über den revolutionären Kampf, erschienen zu dieser Zeit in großen Auflagen in der DDR und wurden vor allem von jungen Leuten begeistert gelesen. Anders als hierzulande hatte in Kuba ein Volk selbst seine Befreiung erkämpft. »Wir bekamen diese Chance mit dem Sieg der Roten Armee über den Hitlerfaschismus im Osten«, stellt Modrow gleich eingangs in dem Gespräch klar. Damit sei den Deutschen die Möglichkeit zum Neuanfang gegeben worden, den freilich nicht alle als Befreiung von Faschismus, Krieg und überlebten Herrschaftsansprüchen gesehen hätten. »Wehrmachtsangehörige, Hitler-Anhänger und deren Mitläufer, aber auch viele Konservative, fühlten sich dagegen besiegt. Diese Mentalität, nicht befreit, sondern besiegt worden zu sein, hat sich bei einigen bis heute gehalten, damals vor allem gegenüber der Sowjetunion.«

Um die Jahre 1989/90, mit dem Untergang der DDR, der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder Europas, sah sich auch Kuba in eine schier ausweglose Lage gebracht. Viele glaubten und nicht wenige aus der feindseligen Nachbarschaft hofften damals, nun sei das Ende von Castros Kuba, dieses sozialistischen Gesellschaftsmodells, gekommen. Doch als Fidel Castro nach über einem Jahrzehnt in der mit vielen Härten und Entbehrungen durchgestandenen »Sonderperiode« danach gefragt wurde, warum das nicht geschah, konnte er mit vollem Recht sagen: »Weil die Revolution immer die Unterstützung des Volkes hatte, hat und haben wird, eines intelligenten Volkes, das zunehmend größere Einigkeit erlangt, gebildet und kämpferisch ist.«

In der Endphase der DDR habe er sich einer anderen Haltung des »inneren Führungszirkels« gegenübergesehen, berichtet dagegen Modrow aus seinen Erfahrungen: »In die DDR kamen zu dieser Zeit viele hochrangige internationale Gäste mit denen Gespräche geführt und bilaterale Vereinbarungen unterzeichnet wurden. Aus all diesen Begegnungen erwuchs eine Art Selbstüberschätzung der Person und zugleich rückte die tatsächliche Entwicklung innerhalb der DDR immer weiter in den Hintergrund. Die zwei Aussprüche, die Honecker dann in den 1980er Jahren gern benutzte, waren eigentlich dafür eine Widerspiegelung. Das eine waren ›Ochs und Esel‹, die ›den Sozialismus in seinem Lauf‘ nicht aufhalten‹ können. Das andere war - noch 1989 - als Zehntausende die DDR verließen: ›Wir weinen ihnen keine Träne nach.‹ Hier war das Gefühl für die Realität total verloren gegangen. Aber in der Politik kann man nur dann etwas bewerkstelligen, wenn man von den realen Umständen und Zusammenhängen ausgeht. Für Erich Honecker und die Führung der DDR löste sich die eigene Wahrnehmung immer mehr vom eigentlichen, realen Geschehen.«

In dem Gespräch der beiden Männer aus Ost und West ist hingegen viel vom Realitätssinn der Kubaner und ihrer Führung zu erfahren, auch von Eingeständnissen ihrer Fehler und Unterlassungen, und auch dass dort heute als die Haltung für das 21. Jahrhundert gilt: »Suchend schreiten wir voran.« Festzuhalten bleibt nach wie vor die alte wie neue Stärke Kubas, dass auf dieser Insel die erste Befreiungsrevolution von der Vormacht der USA vollbracht und der erste sozialistische Staat auf dem amerikanischen Kontinent geschaffen und bis zum heutigen Tag trotz aller Feindseligkeiten und der Dauerblockade bewahrt worden ist. »Damit ist Kuba für alle Nationen und Völker, die sich gegen Kolonialismus, Imperialismus und Hegemonie auflehnen zum Symbol dafür geworden, dass es Alternativen zu der aufgezwungenen Ordnung gibt. Kuba ist für die Mehrheit der Menschheit auf der Welt, die unter den Folgen der Ausplünderung des Planeten, der imperialen Kriege und der sozialen Ungleichheit leiden, ein Zeichen der Hoffnung.«

Dieses Buch ist selbst ein Zeichen der Hoffnung, das hoffentlich viele lesen werden.

Volker Hermsdorf/ Hans Modrow: Amboss oder Hammer. Gespräche über Kuba. Verlag Wiljo Heinen, Berlin/Böklund. 429 S., br., 16 €.

Neues Deutschalnd

Eberhard Panitz
Neues Deutschland, 13.03.2015