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Sieg der Solidarität

Nach der Freilassung der »Cuban 5« muss auch die Blockade gegen Havanna fallen. Dank an weltweite Unterstützerbewegung.

Gruppenbild mit Präsident: Kubas Staatschef Raúl Castro (M.), die »Cuban 5« und deren Familienangehörige

Gruppenbild mit Präsident: Kubas Staatschef Raúl Castro (M.), die »Cuban 5« und deren Familienangehörige am Mittwoch in Havanna
Foto: Estudios Revolución


In Havanna und anderen Städten Kubas läuteten am Mittwoch die Kirchenglocken. Es ist der Tag des Heiligen Lazarus (San Lázaro), den die Anhänger der afrokubanischen Santeria-Religion Babalú Ayé nennen. Für die Santeros und viele Kubaner einer der wichtigsten Tage im Jahr, denn Babalú Ayé gilt als einer der mächtigsten Heiligen. Doch nicht ihm gilt an diesem Tag das Glockengeläut, sondern dem historischen Ereignis, das Präsident Raúl Castro zeitgleich mit seinem US-Amtskollegen Barack Obama über alle Fernsehkanäle verkündet: Die Wiederaufnahme der von den USA 1961 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen und – im Gegenzug zur Freilassung zweier in Kuba inhaftierter US-Spione – die Rückkehr der drei seit über 16 Jahren in US-Gefängnissen festgehaltenen Aufklärer Antonio Guerrero, Gerardo Hernández und Ramón Labañino in ihre Heimat.


In Betrieben, Banken, Geschäften, Schulen, Universitäten verfolgen Hunderttausende im ganzen Land die Rede Raúl Castros, der zunächst kurz über sein Telefongespräch mit Barack Obama vom Vortag informiert. Dann sagt er: »Wie von Fidel im Juni 2001 versprochen, als er sagte ›Sie werden zurückkehren‹, sind heute Gerardo, Ramón und Antonio in unserer Heimat eingetroffen.« Nach einer Sekunde der Stille bringen die Zuschauer ihre Freude zum Ausdruck, viele applaudieren, einige rufen: »Viva Cuba! Viva Fidel! Viva Raúl! Viva la Revolución!«. Selbst bei Abgeordneten der Nationalversammlung, die in Arbeitsgruppen die am heutigen Freitag in Havanna stattfindende Parlamentssitzung vorbereiten, fließen Freudentränen. In der Universität von Havanna versammeln sich die Studenten, ziehen mit kubanischen Fahnen lachend und tanzend die zentrale 23. Straße der Stadt (La Rampa) zum Malecón hinunter. Im ganzen Land spielen sich ähnliche Szenen ab. Zur gleichen Zeit liegen sich in dem 40 Kilometer von Havanna entfernten internationalen Camp »Campamento Internacional Julio Antonio Mella« 70 Gäste des kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP) aus verschiedenen Ländern Nordeuropas – darunter auch aus der Bundesrepublik – und ihre kubanischen Gastgeber in den Armen. Auch hier fließen Tränen.

Nach ihrer Ankunft war von den Freigelassenen zunächst nur eine Audiobotschaft im Radio übertragen worden: »Die Gefühle? Was soll ich sagen? Sie sind unbeschreiblich. Wir sind hier und kämpfen weiter«, erklärt Antonio Guerrero. »Dank eurer Solidarität sind wir wieder zu Hause«, ergänzt Ramón Labañino. Und auch Gerardo Hernández, der nach dem Willen seiner Richter im US-Gefängnis hatte sterben sollen, bedankt sich bei Freunden und Genossen in aller Welt: »Ich umarme euch alle!« Später am Abend verfolgen dann Millionen Zuschauer im Land die ersten Fernsehbilder der zurückgekehrten Aufklärer, die in Kuba als Nationalhelden verehrt werden: die Begrüßung am Flugzeug durch Präsident Raúl Castro, die Freude der Familien, die Umarmung mit den Kampfgefährten René und Fernando González, die sich seit ihrer Rückkehr in die Heimat unermüdlich für die Freiheit ihrer Genossen eingesetzt haben. Auch in diesem Moment der großen Gefühle sind die Freunde in aller Welt nicht vergessen. Alle fünf danken für die Solidarität und die Aktionen für die Freiheit der »Cuban Five« und würdigen den Einsatz der Solidaritätsbewegung, ohne den dieser Erfolg nicht möglich gewesen wäre.

Neben der Freude über die Rückkehr beginnen auch erste Diskussionen über die Konsequenzen der zwischen Castro und Obama getroffenen Vereinbarungen. Manche erwarten weitere Informationen, die der kubanische Präsident am Ende seiner Fernsehansprache für »später« angekündigt hatte, von der heutigen Sitzung der Nationalversammlung, des kubanischen Parlamentes. »Das Wichtigste«, hatte Raúl Castro am Mittwoch erklärt, sei noch nicht gelöst, und gefordert: »Die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die unserem Land enorme menschliche und ökonomische Schäden zufügt, muss enden.« Er hatte dabei erneut die Bereitschaft Kubas unterstrichen, »einen auf souveräner Gleichheit beruhenden respektvollen Dialog zu führen, um … die verschiedenen Themen ohne Beeinträchtigung der nationalen Unabhängigkeit und der Selbstbestimmung unseres Volkes zu behandeln«. Castro betonte, dass es zwischen den Regierungen »tiefe Meinungsverschiedenheiten« gebe, »hauptsächlich in den Bereichen nationale Souveränität, Demokratie, Menschenrechte und Außenpolitik«. Trotzdem halte er es für möglich, für viele Probleme eine Lösung zu finden. Wir müssen »die Kunst erlernen, auf zivilisierte Art – mit unseren Meinungsverschiedenheiten – zusammenzuleben«, appellierte Raúl Castro abschließend an Washington.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
junge Welt, 19.12.2014