Gedanken und Eindrücke von der Teilnahme an der Brigade José Martí

im Juni/Juli 2013 im Internationalen Campamento Julio Antonio Mella


Unterkunft im Internationalen Campamento Julio Antonio Mella

Eingangsbereich des Internationalen
Campamento Julio Antonio Mella

Wenn man mit dem Finger über die Erdteile und Länder dieser doch so empfindlichen, kleinen, verletzbaren aber auch in vielen Regionen schönen Welt fährt, kommen für manchen Menschen Wünsche hoch, die sie nie erfüllen können. Manch einer hat nicht einmal die Möglichkeit sich die Länder auf einer Karte anzusehen und zu träumen. Ist man aber in der glücklichen Lage, zu Reisen, auch in andere Erdteile, dann ist der Besuch der Karibikinsel Kuba schon fast ein Muss. So war es bei mir vor der ersten Reise, denen weitere drei folgten. Es gibt aber Menschen, die waren schon mehr als zehnmal auf der Insel. Natürlich sollte dabei nicht nur der Aspekt Urlaub an den wunderschönen Stränden und in den schönen Hotels im Vordergrund stehen, sondern die Nutzung von Möglichkeiten, im direkten Umfeld mit den kubanischen Menschen zu leben. Ich meine dabei, die Teilnahme an organisierten Reisen, auch an den sogenannten Workcamps oder weiteren Solidaritätsbrigaden.

Wenn man sich mit der Geschichte Kubas und dem Leben in diesen gerade mal mit ca. 11 Mio. Menschen bewohnten Volkes beschäftigt, gehen einem ja viele Dinge durch den Kopf. Die Zeit als spanische Kolonie, die Zeit der amerikanischen Herrschaft und seiner Marionetten, Revolution, Guantanamo, Wirtschaftsblockade, Wegbrechen der wirtschaftlichen Aufbauhilfe in Folge des Auseinanderfalls des sozialistischen Lagers, der nun folgende Kampf der Kubaner und die Suche nach Lösungen um die weitere Entwicklung des Landes, die Hetze und Verleumdung durch bestimmte Gruppen und Schichten von Menschen in einzelnen Ländern. Bei all diesen nicht ganz problemlos auf Kuba auswirkenden Schwierigkeiten denke ich immer an die Worte von Fidel Castro, die er vor einigen Jahren zum Ausdruck ebracht hat:

"Cuba ist nicht das Paradies, als das manche unserer Freunde es gelegentlich gern sehen wollen. Aber es ist auch nicht die Hölle, als die unsere Feinde es darstellen." Es gab und gibt auf der Insel Probleme, Mißstände und Widersprüche, die ihre Ursachen nicht zuletzt in der über 40 Jahre währenden Blockade haben.

Und genau dies sollte sich jeder Kubafahrer vor Augen halten. Es kann und darf nicht mit europäischen Maßstäben gerechnet werden. Kuba ist noch ein Entwicklungsland. In dem allerdings für zehn Kinder ein Lehrer zur Verfügung steht. In dem es ein kostenfreies Gesundheitswesen gibt. Wo gibt es das schon in der dritten Welt.

Halten wir uns auch diese Worte vor Augen: ...Am 6. April 1960 schreib der Unterstaatssekretär der USA-Administration Lester D. Mallory die kürzeste, genaueste und dauerhafteste Definition der Ziele der Blockade gegen Kuba nieder:

"… durch wirtschaftliche Unzufriedenheit und Not das Wirtschaftsleben schwächen, indem Kuba Geld und Lieferungen verwehrt werden, mit dem Ziel, die Nominal-und Reallöhne zu reduzieren, Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung zu bewirken."
… Bis heute ist dies die Idee gewesen, die die unmenschliche fehlgeschlagene und anachronistische Politik von elf Regierungen in Folge verkörpert hat, unter der 76% der Kubaner geboren wurden.


Das diese unmenschliche Politik der USA fehlgeschlagen ist, ist auch der weltweit aktiven Solidarität durch über 1000 Soli-Organisationen (Netzwerk) mit zu verdanken. Und die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. und auch die vielen Gruppen von Cuba Sí tragen täglich dazu bei.

43. europäisches Kontingent der Solidaritätsbrigade José Martí, Juli 2013

43. europäisches Kontingent der Solidaritätsbrigade José Martí, Juli 2013

Eine Form dieser Solidaritätsarbeit wird jährlich praktiziert durch die Bildung einer internationalen Brigade. In diesem Jahr war es das 43te europäische Kontingent der Brigade "José Martí", die sich, aus fast allen europäischen Ländern kommend, im Campamento Juli Antonio Mella in Caimito, ca. 40 km südlich von Havanna zusammenfand. Nach intensiven Vorbereitungen in den einzelnen Ländergruppen unter Leitung erfahrener Brigadistas trafen wir "Neuen" am 29.und 30 Juni im Campamento ein. Natürlich war die Neugierde erst mal groß. Wie sind die örtlichen Gegebenheiten, wie sind die Schlaf-/Aufenthaltsräume ausgestattet, Wie sind die sanitären Einrichtungen, wo und wann gibt es Essen usw. Die gegenseitigen Begrüßungen waren von der ersten Minute an herzlich und offen. Auch wenn es nicht rundherum mit der Sprachverständigung klappte. Eine Lösung wurde immer gefunden. Ja, man muss sich schon die Frage stellen, was Jung und Älter dazu bewegt, solch eine Reise, die ja auch mit Kosten und nicht wegzudenkenden Belastungen einhergeht, anzutreten.

Unterkunft im Internationalen Campamento Julio Antonio Mella

Eine der Unterkunftshäuschen im Internationalen Campamento Julio Antonio Mella



Für den einen sicherlich Neugierde, Entdeckerdrang, Wahrheitsfindung zu den bisher gehörten, Menschen anderer Länder kennenlernen, Erfahrungen zur Soli-arbeit auszutauschen oder nur der Solidaritätsgedanke. Ich denke, der Solidaritätsgedanke stand bei den meisten Brigadistas im Vordergrund. Wenn also Mutter und Vater mit drei kleinen Töchtern und der Omi dazu aus einem Nordland in das Campamento reist, war es bestimmt nicht nur die Sonne, die gelockt hat. Für die Kinder war es sicherlich nicht die letzte Reise. Auch für manchen Älteren nicht.




Der erste Tag war eigentlich der 1 Juli. Das Wecken hatte schon etwas Besonderes, man kann sagen, exotisches. Der Hahn krähte in der Regel täglich früh ungefähr sechsmal. Schön laut. Manch einer hegte bestimmt einen stillen Wunsch. Aber der war nicht zu verwirklichen. Dann kam erlösende Musik und in der Folge eine kurze Ansprache. Wecken, aufstehen, Morgentoilette, Frühstück, Morgenbesprechung vor der solidarischen Arbeit waren natürlich zeitlich eng begrenzt. Die Morgenbesprechung auf dem "campo de cultura" also vor der großen Bühne, war immer ein motivierendes Morgenereignis. Jede Brigade wurde aufgerufen und mit Beifall begrüßt. Wer am Vortrag etwas liegengelassen hat, durfte es unter Beifall vorn abholen.

brigade-jose-marti-2013

auf in die Felder ...

Arbeitspause im Camp

Arbeitspause im Camp

Die laut Programm vorgesehene solidarische Arbeit auf den nahe gelegenen Feldern war nicht leicht. Ohne richtiges Schuhwerk, Arbeitshandschuhe, Kopfbedeckung stieß man schnell auf Schwierigkeiten. Aber aus Solidarität nimmt man auch mal Härten in Kauf. Die Sonne tat ihres dazu. Für Getränke war aber gesorgt. Mittag gegessen wurde im großen Speiseraum, man denke an eine große Betriebskantine. An dieser Stelle nachträglich ein Dank an die Mitarbeiter der Küche. Für über 120 "hungrige" meist junge Leute aus verschiedenen Ländern zu kochen und den richtigen Geschmack zu finden, ist nicht leicht. Es ist auch nicht jedermann Sache täglich Reis, natürlich mit Beilagen, zu essen. Die Obstauswahl war eigentlich variabel. Auch Getränke wurden angeboten. Jeder konnte satt werden.

Gartenfest beim Institut für Völkerfreundschaft

Gartenfest beim Institut für Völkerfreundschaft

Gartenfest beim ICAP

ICAP

Das Nachmittagsprogramm war meist geprägt von Treffen und Zusammenkünften mit kubanischen Organisationen, Repräsentanten und Exkursionen. Sehr beeindruckend und nicht zu vergessen waren die Besuche in Havanna mit der Ehrung am Denkmal José Martí am Platz der Revolution, der Besuch des Museum der Revolution, das Meeting in der Universität von Havanna und natürlich der festliche Empfang im Großen Garten der ICAP (Instituto Cubano de Amistad con los Pueblos). Das Kulturprogramm war Spitzenklasse. Getanzt wurde natürlich auch. Natürlich durften auch persönliche Spaziergänge durch Teile von Havanna nicht fehlen. Es entsteht viel neues, aber es gibt auch sehr viel Investitionsbedarf.

Europäische Kulturnacht

Europäische Kulturnacht - schwedischer Beitrag



Zur Erhaltung dieser schönen Stadt müssten eigentlich viele Länder an die Tür von Kuba klopfen und ihre Hilfe und Erfahrungen anbieten. Mit Technik und Material. Wenn möglich kostenlos. Aber das ist sicherlich eine Vision von mir. Sehr beeindruckend war auch das extra für uns organisierte Straßenfest (mit einem CDR) in Matanzas. Liebevoll vorbereitet, singende und tanzende Pioniere, es dauerte nicht lange, und wir als Gäste waren mittendrin. Natürlich kam auch das Essen und Trinken nicht zu kurz. Was wäre eine Kubareise ohne Besuch des Che-Monument in Santa Clara.



Die Hin und Rückfahrt von Matanzas aus war natürlich lang, dafür waren aber die Eindrücke, die man unterwegs und dann Vor Ort gewinnen konnte, umso größer. Im Programm waren natürlich nicht nur politisch motivierte Veranstaltungen enthalten. Knapp vier Tage Varadero, DER Urlaubshalbinsel auf Kuba, brachten Erholung und natürlich auch für die, die noch nicht auf Varadero waren, neues an Eindrücken. Im Rahmen einer Rundfahrt mit Bussen wurden uns die Hotels gezeigt und in einem Vortrag die Tourismusentwicklung erläutert, die stets nach oben geht. Der Tourismus ist auch in Kuba ein Wirtschaftsfaktor.

Frieden - Freundschaft - Inernationale Solidarität

Frieden - Freundschaft - Internationale Solidarität


Weitere Höhepunkte des dreiwöchigen Soli-Aufenthaltes im Rahmen der Brigade José Martí war natürlich das Meeting mit Familienangehörigen der Cuban Five, eine Mutter, Besichtigung des Museums im Kastell San Severin in Matanzas mit einem hervorragenden kubanischen Kultur-und Tanzprogramm, bei dem wir nicht nur Zuschauer waren, der Besuch des Playa de Este (manch einer wird es kennen als internationales Ferienlager der ehemaligen sozialistischen Länder), die abendlichen Kulturveranstaltungen im Campamento, die gemeinsame Sportveranstaltung mit Olympioniken Kubas und natürlich als Highlight die europäische Kulturnacht, in der jede Landesgruppe ein eigenständiges Programm vorgeführt hat.


Es wurde rezitiert, getanzt, gesungen oder ohne Worte auf landestypische Eigentümlichkeiten hingewiesen. Was da so in der Kürze der Zeit auf die Bühne gebracht wurde, war schon beeindruckend. Manches schon professionell. Jeder wollte der Beste sein. Aber alle waren die Besten.

Noch ein paar Worte zum Zusammenleben. Natürlich erfolgte alles auf engen Raum. Aber die Toleranz und die Selbstdisziplin untereinander war so groß, dass es nicht im Ansatz zu möglichen Ungereimtheiten kam. Was kann man nach so einer Reise als schon Kubaerfahrener empfehlen. Jeder, der es ermöglichen kann, sollte die Gelegenheit nutzen und neben seiner sonstigen Solidaritätsarbeit, an einer Campamento-Reise teilnehmen. Land und Leute kennenzulernen ist etwas Schönes und Reisen bildet. Ich spreche sicherlich auch im Namen der anderen Brigadistas, wenn an dieser Stelle auch ein Dankeschön an die Organisatoren und Verantwortlichen im Campamento Juli Antonio Mella ausgesprochen wird.

Ihr seid Klasse Compañeros y Compañeras.

Dieter Ammer
12. August 2013
Alemania; Sajonia; Chemnitz