Das Projekt "Gloria Cuadras de la Cruz"

Das Heim für geistig Behinderte "Gloria Cuadras de la Cruz" trägt seinen Namen nach einer (ebenfalls behinderten) Kombattantin der Revolutionstruppen Fidels im Befreiungskrieg.

Treffen im Behindertenzentrum "Gloria Cuadras de la Cruz"

Treffen im Behindertenzentrum
"Gloria Cuadras de la Cruz"

Behindertenzentrum "Gloria Cuadras de la Cruz": Übergabe eines Deckenventilators an die Heimleiterin

Übergabe eines Deckenventilators an die Heimleiterin in Anwesenheit von Roberto (Minsap)

Es existieren zwei Häuser dieses Namens in Santiago: eines für Kinder sowie ein anderes (centro numero 2), das Jugendliche und Erwachsene beherbergt, alle männlichen Geschlechts. Letzteres ist dasjenige, das uns betraf. Das Haus befindet sich in baulich solidem Zustand, da es, stark beschädigt bei einem der letzten Hurrikane, durch den cubanischen Staat restauriert wurde.
Die Insassen leiden an verschiedenen mittelschweren bis schweren geistigen Behinderungen (fünf beispielsweise am Down-Syndrom, drei weitere sind zusätzlich zu sonstigen Handicaps auch noch mit Taubstummheit geschlagen).
37 "discapacitados" leben mehr oder weniger ständig in der Einrichtung. Einige verbringen die Wochenenden bei ihren jeweiligen Familien. Es gibt aber auch eine ganze Menge von solchen, denen "Gloria Cuadras de la Cruz" zur einzigen Familie geworden ist: Vollwaisen oder als Kind von den Eltern Ausgesetzte. Diese tragen in Cuba den Titel "ninos de la patria" ("Kinder des Vaterlandes"), und um die muss man sich halt besonders kümmern.

Den genannten 37 stehen 52 Fachkräfte aller möglichen Ausbildungsbereiche zur Betreuung gegenüber. Zwar wäre es etwas übertrieben, von rechnerisch 1,5 BetreuerInnen pro Insasse zu reden, denn erstere arbeiten natürlich in Dienstschichten, aber dennoch ist das Verhältnis von Betreuungspersonal und "Patienten" so günstig, dass es bei uns in Deutschland im staatlichen Gesundheitssektor wohl nichts annähernd Vergleichbares gibt. Uns wurde übrigens versichert, dass das Haus von den in Cuba geplanten Umstrukturierungen mit der Freisetzung zahlreicher staatlicher Arbeitskräfte unberührt bleiben werde.
Die Betreuten werden in verschiedene soziokulturelle und sportliche Aktivitäten des Heims eingebunden und einige von ihnen durchlaufen außerdem eine Grundausbildung in Berufen handwerklicher Natur (z.B. dem des Gärtners), um irgendwann in ein zumindest halbwegs normales Leben integrierbar zu sein.

Dies alles und mehr erfuhren wir natürlich aus erster Hand, d. h. von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Einrichtung, von denen uns eine sechsköpfige Abordnung willkommen hieß, darunter auch Dr. Eloy Reyte Valverde, koordinierender Chef sämtlicher Einrichtungen dieser Art in Santiago, ein weltgewandter, leutseliger Mann mit cooler Sonnenbrille.

Die Heimleiterin, Irene Ayra Ramírez, die ganz augenscheinlich zum ersten Mal mit Leuten wie uns zu tun hatte, wirkte dagegen anfänglich noch sehr reserviert. Ihr gequältes Lächeln hellte sich jedoch im Verlauf der folgenden zwei Stunden merklich auf. Vielleicht trug das in die Hand gegebene Versprechen, am nächsten Tag mit einem Duzend Deckenventilatoren wieder auf der Matte zu stehen, nicht unwesentlich dazu bei. Wenn es so gewesen sein sollte, könnte ich sie gut verstehen. 11.000 Euro sind nichts weiter als eine abstrakte Ziffer, mit der sie in ihrer Alltagsarbeit keine Erfahrung hat. Konkrete materielle Hilfe hingegen kann man sehen und anfassen.

Bewohner des Behindertenzentrums "Gloria Cuadras de la Cruz"

Bewohner des Behindertenzentrums
"Gloria Cuadras de la Cruz"

Bewohner des Behindertenzentrums "Gloria Cuadras de la Cruz"

Bewohner mit Betreuerin

Bei der sich anschließenden Begehung fotografierten wir alles Erdenkliche: den Speisesaal, die Küche samt der Köchin in Aktion, die Heimapotheke mit der Apothekerin, das kompakte Hauskraftwerk mit dem Elektriker, die Kleiderkammer mit Näherin, den Schlafsaal, wo einige Deckenventilatorenleichen zu bestaunen waren, die schon lange keine Kühle mehr spendeten. Der Schlafsaal soll übrigens umgebaut werden. Man will einen Mauerdurchbruch zum Foyer machen, also den Schlafsaal vergrößern und dafür den Empfangsbereich verkleinern. Dadurch hofft man, die Etagenbetten überflüssig zu machen, wo es bei Stürzen aus dem Obergeschoss schon öfters zu Verletzungen kam.

Vor allem aber fotografierten wir natürlich die Heiminsassen. Manche von ihnen berührten uns neugierig, andere duckten sich weg. Manche posierten vor der Kamera, andere suchten den Rockzipfel ihrer persönlichen Betreuerin, weil ihnen die Angelegenheit nicht geheuer war. In den wohnlichen Gemeinschaftsraum mit einer kleinen Musikanlage und Listen für kollektive Geburtstage an der Wand traute sich aber jeder. Schließlich gab es zur Feier des Tages Melonenscheiben, Ananasstücke, Guavensaft und kleine Kuchen.

Wie auf einer Party stand oder saß man in Grüppchen, die sich dann wieder auflösten, um sich in anderer Zusammensetzung neu zu bilden. Es wurde viel erzählt und gelacht. So zwanglos, so völlig unverkrampft hatte ich mir das Treffen nicht vorgestellt. Einen kleinen Solo-Auftritt bekamen wir auch noch serviert: Einer der Heiminsassen, ein "nino de la patria", rezitierte etwas, das er mit der Sozialarbeiterin Edelis Torres Salazar gewiss vorher für diesen Anlass einstudiert hatte. Sie saß hinter ihm, um notfalls soufflieren zu können, aber der Junge kriegte das auch ohne ihre Hilfe prima hin und freute sich über unseren Applaus. Die Begegnung zog sich hin, jedoch ohne sich zu "ziehen". Jedenfalls glaube ich nicht, auch nur ein einziges Mal auf die Uhr geblickt zu haben.
Betreute wie BetreuerInnen schienen eine Symbiose einzugehen. Sie wirkten wie Glieder von ein und demselben Organismus. Wir beiden gehörten als Besucher natürlich nicht dazu, aber als Fremdkörper fühlten wir uns auch nicht. Sie alle machten auf uns einen glücklichen oder doch wenigstens zufriedenen Eindruck, soweit man das als Außenstehender beurteilen kann – was letztlich natürlich nicht möglich ist.

Wie verabredet, fuhren wir am nächsten Morgen mit Roberto in die Stadt, um in einem Shop für Haushaltswaren Deckenventilatoren zu kaufen. Wir bekamen 13 Stück. Unser Geld hätte für 14 gereicht, aber mehr als 13 hatte das Geschäft nicht auf Lager. Als wir die alle im Auto verstaut hatten, hatten wir unsere liebe Müh und Not, noch selber darin Platz zu finden. Der zweite Ortstermin im "Gloria Cuadras de la Cruz" ließ dann die Heimleiterin endlich strahlen. Wir gehen davon aus, dass die Apparate zeitnah montiert wurden. Einen Elektriker hat die Einrichtung ja.

Wir machten vor unserer Abreise – mit freundlicher Hilfe des ICAP, das uns einen Fahrer zur Verfügung stellte – noch zwei Ausflüge:
Der erste führte uns zum etwa 60 km nördlich gelegenen "Monumento Nacional del Segundo Frente" – ein Heldenfriedhof, der (trotz ewiger Flamme) gar nicht wie einer aussieht, sondern eher wie ein Park: in dessen Zentrum eine riesige Fläche leuchtend roter Pflanzen, die in der prallen Sonne liegt und daher ständig von einer Sprinkleranlage bewässert werden muss. Die Farbe symbolisiert natürlich Blut. Die Grabstellen sind von ausgeprägter Schlichtheit. Es gibt allerdings zwei Ausnahmen. Antonio Gades, der berühmte spanische Tänzer und Cubafreund ist hier beerdigt. Seinem phantasievoll gestalteten Grabstein direkt gegenüber befindet sich die Grabstätte von Vilma Espín, der vor wenigen Jahren gestorbenen Frau Raúls. Auch Raúl selber wird hier einmal seine letzte Ruhe finden. Das Areal wirkt in seiner Abgeschiedenheit und Strenge beeindruckend, aber auch ein wenig einschüchternd.

Der zweite Ausflug ging zur "Granjita Siboney", der nur etwa 15 km von Santiago entfernten Finca, wo einst Fidel und seine Getreuen den Sturm auf die Moncada-Kaserne vorbereiteten. Wir hatten Glück: Als wir ankamen, hatte gerade eine größere Reisegruppe die Besichtigung beendet und so stand uns die engagierte und sehr sachkundige junge Companera, die dort die Führungen macht, exklusiv zur Verfügung. Wenn man bedenkt, wie viele der Revolutionäre bei der Aktion 1953 grausam zu Tode kamen, ist man überrascht zu sehen, was für ein heller und freundlicher Ort die "Granjita" ist.

Rosa brachte uns spätabends zum Flughafen. Sie wirkte ein wenig übermüdet, denn es stand bereits die Ankunft der nächsten Delegation bevor und die versprach allein von ihrer Anzahl her anstrengender zu werden als wir beiden.
Die sympathische ICAP-Chefin war uns eine beispielhafte Gastgeberin gewesen und unsere Einladung zum Essen an sie und ihren Mann vom Vortag war sehr wenig im Vergleich zu dem, was man dort alles für uns getan hatte.

Als die Maschine in den Nachthimmel Richtung Havanna abhob, dachte ich einmal mehr an unser junges Projekt. Wann sie wohl ihren Fernseher für den Gemeinschaftsraum bekommen werden? Der stand natürlich nicht vorn auf der Prioritätenliste, aber gar so weit hinten stand er auch nicht …

Das Behindertenheim "Gloria Cuadras de la Cruz" ist nach dem ersten Augenschein, den wir nun nehmen konnten sicher eine der positivsten Erfahrungen der letzten Jahre und wir sind froh und erleichtert zu wissen, dass die schon bis zum April gesammelten 11.000 Euro (und die Spendengelder, die dann hoffentlich noch folgen werden) in gute Hände kommen.

Ulrich Fausten
22.07.2011, Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V.


Weitere Informationen zu dem Projekt: "Gloria Cuadras de la Cruz"

Fotogalerie: Behindertenzentrum Gloria de la Cruz



Spenden bitte unter dem Stichwort "Behindertenzentrum Gloria Cuadras"


auf das Spendenkonto
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