Erklärung der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V.
anläßlich der Bundesvorstandssitzung am 11.05.2003

Betrifft: Verurteilung von Straftätern in Kuba

- Die EU-Außenminister drohen Kuba wegen einer "bedeutenden Verschlimmerung der Menschenrechtslage" mit "ernsthaften Konsequenzen" und konstatieren "eine Beeinträchtigung der Beziehungen zwischen Kuba und der EU".

- Die Menschenrechtsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Claudia Roth, meint: "Die Verfahren verstoßen eklatant gegen rechtsstaatliche Mindestanforderungen"; der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß plädiert für ein Einfrieren der Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba. (Beide sind übrigens Vertreter/innen von Parteien, die die völkerrechtswidrigen Kriege gegen Jugoslawien und Afghanistan aktiv mitgetragen haben.)

- Der US-Interessenvertreter James Cason in Havanna bezeichnet Kuba als "regionale Bedrohung" und der US-Botschafter in Puerto Rico äußert, dass nun, nachdem der Irak erledigt sei, die Zeit heranreife, dass man sich nun Kuba zuwenden müsse, um dort Freiheit und Demokratie einen Weg zu bahnen; der US-Botschafter in der Dominikanischen Republik, Hans Hertell, und der Gouverneur von Florida, Präsidentenbruder Jeb Bush, sprechen sich unisono für eine Verschärfung der US-Aggression gegen Kuba aus: "Ich denke, dass von dem derzeitigen Geschehen im Irak ein sehr positives Signal ausgeht. Es ist ein Beispiel für Kuba." (Hertell).

Was ist passiert? Einige Fakten:
Anfang April wurden auf rechtsstaatlicher Grundlage und gemäß der Verfassung und den Gesetzen der souveränen Republik Kuba (Artikel 88 und 91 des kubanischen Strafgesetzbuches) 75 Personen zu Haftstrafen zwischen 6 und 28 Jahren verurteilt. Die Höhe der Strafen, die nun im Rahmen einer internationalen antikubanischen Kampagne als "Grund" für die Drohungen gegen Kuba herhalten, bewegt sich ausdrücklich im Rahmen der o.g. Artikel des kubanischen Strafgesetzbuches.
Auf ebenso rechtsstaatlicher Grundlage und gemäß den kubanischen Gesetzen wurde gegen 3 Personen, die ein Passagierschiff in ihre Gewalt gebracht, Passagiere gefoltert und mit der Erschießung ihrer Geiseln gedroht hatten, die Todesstrafe vollstreckt. Insbesondere gegen diese Maßnahme richtet sich derzeit der Protest, z.B. von Günther Grass, der zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien noch meinte, dieser sei "zu spät" begonnen worden.

Hintergründe
In den Gerichtsverfahren wurde bewiesen, dass die nunmehr verurteilten Straftäter ihre Straftaten in engster Zusammenarbeit mit der US-Interessenvertretung der USA in Havanna begingen. Der Leiter der US-Interessenvertretung, James Cason (s.o.) brüstete sich vor einigen Wochen ganz öffentlich damit, dass er während der ersten 6 Monate seiner Tätigkeit 6.000 Meilen in Kuba zurückgelegt habe, um den Widerstand gegen die kubanische Regierung zu vernetzen und materiell zu fördern. Hiervon zeugen auch die Millionen Dollar, die nachgewiesenermaßen gerade in den letzten Monaten von offiziellen US-Regierungsstellen wie USAID an die Verurteilten verteilt wurden. Insgesamt stellte Washington 22 Millionen US $ für die "Vorbereitung des Regimewechsels" in Kuba zur Verfügung. (Quelle: Erklärung des Verwaltungschefs der USAID, Adolfo Franco (Exilkubaner), vor einem Unterausschuss für Auswärtige Beziehungen des US-Repräsentantenhauses am 27.02.03). Beispiele:

"Um in der Welt die Solidarität mit den Aktivisten in Kuba zu verstärken": Im Jahre 2002 US $ 8.099.181;
"Für die Unterstützung zur Schaffung von nichtstaatlichen Organisationen in Kuba": US $ 1.602.000;
"Um unabhängigen Journalisten Stimme zu verleihen": US $ 2.027.000;
"Zur Planung des Übergangs in Kuba": US $ 2.132.000;
"Zur Einschätzung des Programms": US $ 335.000.
(Alle Angaben und Haushaltstitel gemäß offiziellem US-Budget!)

Es geht hier also um nicht weniger als um eine von der US-Regierung koordinierte Aktion, um das kubanische Gesellschaftssystem mittels willfähriger Handlanger zu beseitigen. Das wird allgemein als Vorbereitung zum Staatsstreich bezeichnet.

"Dissidenten"?
Die verurteilten Personen werden in den hiesigen Medien fast unisono als "Dissidenten" bezeichnet. Dies von Journalistinnen und Journalisten, deren Anliegen es doch sein sollte, einen klaren und vor allem korrekten Umgang mit der deutschen Sprache zu pflegen; selbst wenn ein Griff zum Wörterbuch notwendig sein sollte. Der Brockhaus bspw. gibt Auskunft: "Dissident: Person, die von den herrschenden politischen und weltanschaulichen Grundsätzen in einer Gesellschaft abweicht."

Es handelt sich bei den in Frage stehenden Personen eben nicht um Menschen, die wegen ihrer Anschauungen verurteilt wurden! Beleg: Der Artikel 91 des kubanischen Strafgesetzbuches, Gesetz 62 von 1987, leitet sich aus dem spanischen Strafgesetzbuch ab (aus der Zeit, als Kuba noch spanische Kolonie war) und ist fast wortgleich auch im US-Strafgesetzbuch enthalten. Darin heißt es u.a.: "Handlungen gegen die Unabhängigkeit oder territoriale Integrität des Staates - Wer im Interesse eines ausländischen Staates eine Handlung zum Schaden der Unabhängigkeit des kubanischen Staates oder der Integrität seines Territoriums begeht, wird zu Freiheitsentzug zwischen 10 und 20 Jahren oder zum Tode verurteilt". Das heißt: Es ist nicht nur in Kuba oder den USA, sondern wohl in allen Staaten der Welt ein strafbares Vergehen, für eine ausländische - und in diesem Falle sogar feindliche - Macht gegen Bezahlung Agentendienste zu leisten. Dies gilt übrigens auch für die deutsche Rechtsprechung.

In Übereinstimmung mit der Charta der UNO und der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten), die jedem Staat das Recht zusichern, sich ohne Einmischung durch andere Staaten für ein eigenes politisches, soziales und wirtschaftliches System zu entscheiden, hat sich der kubanische Staat mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen eine von einer feindlichen Macht gesteuerte Kampagne mit dem Ziel der Liquidierung des kubanischen Staates zur Wehr gesetzt.

Wo bleibt die journalistische Objektivität?
Alle genannten Punkte sind keine neuen "Enthüllungen". Vielmehr stehen diese (und weitere!) Informationen allen Journalistinnen und Journalisten auf der Welt zur Verfügung. So hat bspw. der kubanische Außenminister Felipe Pérez Roque am 9. April eine mehrstündige Pressekonferenz gegeben, an der Vertreterinnen und Vertreter von 59 Medien aus 22 Ländern teilnahmen. Hierbei wurden zahlreiche Beweise in Form von Dokumenten, Videos und Tonbändern vorgelegt. Wie kommt es, dass davon so gut wie nichts in der "freien" Weltpresse publiziert wurde?

Unsere Haltung
Die USA haben der Welt, insbesondere dem Trikont einen offenen Krieg erklärt. Die Trümmer im Irak rauchen noch, eine unbekannte Anzahl von toten Frauen, Männern und Kindern wurden als direkte Kriegsopfer bereits unwürdig verscharrt, viele von den Irakis sind mangels Wasser und Nahrung, Energie- und Medikamentenversorgung auch in diesen Tagen noch zu einem elendigen Sterben verurteilt. Doch die US-Soldateska tötet Tag für Tag weitere Menschen, sobald sie sich nicht willfährig und sofort der von den USA diktierten "Freiheit" unterwerfen und beispielsweise ihre Meinung auf Demonstrationen gegen die Besatzer zu äußern wagen.
Während organisierter Raub des Weltkulturerbes aus der Wiege der menschlichen Zivilisation durch die barbarischen Besatzer zumindest toleriert, wenn nicht angeleitet wird, sind bereits die Kriegsdrohungen für die nächsten Staaten (Syrien, Iran, Nordkorea) ausgesprochen. Das "Freedom-Bombing" als "permanenter Krieg" (G.W. Bush) soll und wird also weiter gehen. Alle völkerrechtlichen Errungenschaften der vergangenen 50 Jahre (UNO) sollen unter US-Militärstiefeln zertreten werden.

- Die USA bekämpfen Kuba seit über 42 Jahren mit einer umfassenden Handels-, Finanz- und Wirtschaftsblockade, die die kubanische Wirtschaft bisher mehr als 70 Milliarden US $ gekostet hat. Hinzu kamen mehr als 600 geplante Attentate auf den Staatschef Fidel Castro, Sabotageakte, Angriffe bewaffneter Gruppen, Terroranschläge, Angriffe mit biologischen und chemischen Waffen usw. usf.
- Die US-Regierung hat - auch angesichts der von ihren Vorgänger-Administrationen begangenen Verbrechen - nicht das geringste Recht, sich im Namen von "freedom & democracy" in die inneren Angelegenheiten der souveränen Republik Kuba einzumischen.

Dies gilt aus unserer Sicht ebenso für die Repräsentanten der BRD- oder der übrigen europäischen Regierungen, die sich an den völkerrechtswidrigen Angriffskriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan beteiligt haben.

- Bezüglich der vollstreckten Todesurteile in Kuba haben gerade die USA nicht die geringste Legitimation für moralische Werturteile. Es sind die USA, in denen es einen Gefängnis-Industrie-Komplex gibt und in denen geradezu serienmäßig Todesurteile (u.a. an Kindern/Jugendlichen und Geisteskranken) vollstreckt werden.

Der durch höchst zweifelhafte Verfahrenstricks an den Posten des US-Präsidenten gekommene G. W. Bush hat als Gouverneur von Texas mit 153 unterzeichneten Todesurteilen eine wahrlich beeindruckende "Erfolgsstatistik" vorzuweisen ...
Die deutsche Bundesregierung, die sich ebenso wie andere europäische Länder an den o.g. Angriffskriegen beteiligt hat, besitzt ebenfalls nicht die geringste Legitimation zu einer moralischen Verurteilung Kubas.

Die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. erklärt sich weiterhin solidarisch mit der kubanischen Revolution, mit dem kubanischen Volk und seiner Regierung.

- Angesichts der steigenden Bedrohung und der stets zunehmenden Provokationen durch die USA sind ohne Zweifel Maßnahmen notwendig, die der kubanische Staat zur Sicherung der nationalen Souveränität Kubas durchführen muss.

- Auch wenn es der unterschiedliche Einschätzungen zur Vollstreckung der Todesstrafe in Kuba unter Freunden und Freundinnen Kubas wie auch in Teilen der linken Bewegung der Bundesrepublik Deutschland gibt, so respektieren wir das geltende kubanische Strafrecht und verweisen in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass sich die kubanische Revolution seit ihrem Sieg am 1. Januar 1959 in einem Zustand der permanenten Aggression seitens der USA auf unterschiedlichem Niveau befindet, also dem Staat der über das größte militärische Vernichtungspotential seit Menschengedenken verfügt.

- Das kubanische, sozialistische Gesellschaftssystem befindet sich - trotz aller Probleme im Versorgungsbereich und vieler anderer, selbst eingestandener Mängel, Fehler und Probleme - auf der Skala der menschlichen Entwicklung weit über den USA und anderen "entwickelten" kapitalistischen Ländern. Es gibt keinen rassistischen Gefängnis-Industrie-Komplex wie in den USA; keine Todesschwadrone wie in den meisten lateinamerikanischen Ländern; keine Armen, die in Einkaufswagen leben; der Analphabetismus ist besiegt; die Quote der Kindersterblichkeit liegt auf dem Niveau der höchstentwickelten Länder; das Bildungsniveau ebenso. Die Liste ließe sich unbegrenzt fortsetzen.

Unsere eingangs genannte Solidarität wird also auch weiterhin ein Pfeiler sein, auf den unsere kubanischen Freunde und Freundinnen bauen können.
Hände weg von Kuba - Solidarität mit der kubanischen Revolution!


Göttingen, den 11.05.2003
Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V.