Kuba im Medienspiegel

CUBA LIBRE will in dieser Rubrik aufzeigen, was die Konzernmedien verschweigen, Falschmeldungen enthüllen und Manipulationen aufdecken.


Falschmeldungen – Unterschlagungen - Manipulationen

Rotation

Rotation. Foto: Wiljo Heinen


Die USA haben Kuba in den Würgegriff genommen. Durch Sanktionen will Washington – wie es bereits 1960 in einem Memorandum der US-Regierung zur Begründung der gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade angekündigt wurde – "Hunger, Elend und Verzweiflung" erzeugen, um die Regierung zu stürzen. Wie aus dem letzten Jahresbericht über die Auswirkungen der Blockade hervorgeht, belief sich der finanzielle Schaden für die Wirtschaft der Insel zwischen April 2018 und März 2019 auf rund 4,3 Milliarden US-Dollar (3,9 Milliarden Euro). Allein im Produktions- und Dienstleistungssektor waren Verluste in Höhe von 79 Millionen Dollar verursacht worden, was gegenüber dem vorigen Berichtszeitraum eine Steigerung um satte 28 Prozentpunkte ausmacht. Seit den ersten im Oktober 1960 verhängten Sanktionen beläuft sich der Gesamtschaden für Kuba auf mittlerweile 138,8 Milliarden Dollar (nach heutigen Preisen). Ohne Blockade hätte das Bruttoinlandsprodukt Kubas in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr zulegen können, erklärte Außenminister Bruno Rodríguez bei der Präsentation des Reports im September 2019. "Die Daten beweisen, dass die Blockade weiterhin die Hauptursache für den Mangel ist, den unser Volk erleidet und das größte Hindernis für unsere Entwicklung", sagte er. Dies werde von internationalen Medien jedoch verschwiegen oder in Frage gestellt.

Ein "großartiger" Kronzeuge

Ein Beispiel dafür lieferte das ARD-Flaggschiff "Tagesschau". "Die sozialistische Regierung Kubas hat angesichts einer anhaltenden Versorgungskrise die Rationierung von Lebensmitteln … angeordnet. Schuld sei das Embargo. Doch Experten bezweifeln das", meldete "tageschau.de" am 11. Mai. Die völkerrechtswidrige US-Blockade sei nicht die Ursache der Probleme, wird suggeriert. Diese Art der Argumentation hat Methode. Carmelo Mesa-Lago, ein kurz nach dem Sieg der Kubanischen Revolution zunächst nach Madrid und dann in die USA ausgewanderter Wirtschaftswissenschaftler wiederholt die These seit Jahren wie ein Mantra. "Das Embargo (wie Mesa-Lago die Blockade verharmlosend nennt) verursacht zwar Schäden, doch der Hauptgrund für die Probleme besteht darin, dass es Kuba nicht gelingt, genügend Exportgüter herzustellen, um notwendige Importe zu finanzieren", schrieb er am 4. April in der "Havana Times", einem von dem US-Journalisten Circles Robinson in Nicaragua herausgegebenen Blog. Übersetzt heißt das: Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind vor allem hausgemacht.

Der im deutschsprachigen Raum nur wenig bekannte "Ökonom" wird seit einigen Monaten auch hierzulande verstärkt als Kronzeuge gegen die Wirtschaftspolitik der Kubanischen Regierung in Stellung gebracht. Der Regierungssender "Deutsche Welle" verbreitete am 4. August ein Interview mit dem als "Kuba-Kenner" vorgestellten Carlos Mesa-Lago, in dem dieser staatliche Maßnahmen wie die im Juli beschlossenen Lohnerhöhungen und die Einführung von Preisobergrenzen kritisierte. Titel: "Kubas Wirtschaft im Würgegriff". Damit war nicht die US-Blockade, sondern der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft gemeint. Nahezu wortgleich erschien das Interview am 10. September dann auch im "Neuen Deutschland", das sich einst als "Sozialistische Tageszeitung" bezeichnete. Dort lautete die Überschrift: "Kuba wiederholt alte Fehler". Man muss dazu wissen, dass die von US-Diensten und der "Deutschen Welle" finanzierte Systemgegnerin Yoani Sánchez am 24. September per Twitter und in ihrem Onlineportal "14yM" für einen Dokumentarfilm über Mesa-Lago warb, den die antikommunistische Bloggerin als "großartige Figur des kubanischen Exils" würdigte.

Ungebetene Ratschläge

Bürgerliche Medien bemühen auch andere neoliberale "Experten" kubanischer Herkunft, um zu beweisen, dass die sozialistische Wirtschaftsordnung die Haupt- oder zumindest eine Mitschuld an den derzeitigen Engpässen trägt. Ein weiterer Star der Szene ist Pavel Vidal, ein ehemaliger Ökonom der kubanischen Zentralbank, der mittlerweile als Professor an der Universität Javeriana, einer elitären Jesuiten-Kaderschmiede im kolumbianischen Cali lehrt. "Interne Reformblockaden", zitierte die "Taz" ihn am 23. August, seien eine der Ursachen "für die sich verschärfenden Wirtschaftskrise in Kuba". Diese von Vidal seit Monaten wiederholte Behauptung – verbunden mit der Warnung vor einer "neuen Sonderperiode" – verbreitete der staatliche US-Propagandasender "Radio & TV Martí" bereits am 3. März und kurz darauf inhaltsgleich das in Madrid produzierte Contra-Portal "Diario de Cuba". Die "Frankfurter Rundschau" hatte den Professor schon im April 2018 entdeckt und auch im "Handelsblatt" ist Vidal ein gern zitierter "Kuba-Experte". Dort bedauerte er im Februar 2019 die Bestätigung des "Primats der Kommunistischen Partei" in der neuen Verfassung und empfahl Präsident Díaz-Canel, "die privaten Kleingewerbetreibenden bei Laune" zu halten. An ungebetenen Ratschlägen herrscht in den großen Medien kein Mangel. Informationen über die Folgen der US-Blockade gibt es dagegen kaum.

CUBA LIBRE Volker Hermsdorf

CUBA LIBRE 4-2019