Wahlen in Kuba – Das unbekannte Wesen

In Kuba wurde zwischen dem 26.11.2017 und dem 3.12.2017 in den Kommunen gewählt. Wahlen in Kuba finden unter ganz anderen Bedingungen wie bei uns statt.

Einzigartig auf der Welt

Kandidatenbrief

Kandidatenbrief


Die Form der Wahlen in Kuba ist wohl einzigartig auf der Welt. Entstanden ist dieses Wahlsystem nach der Revolution und hat historische Gründe und aktuelle. Die Kubaner suchten nach der Revolution 1959 nach einer Form, die die Souveränität des Landes garantiere und eine Einmischung von außen - vor allem der USA - verhindere und der Abneigung der Bevölkerung gegen das Wahlsystem von vor der Revolution Rechnung trage. Unmittelbar nach der Revolution passierte dies vor allem dadurch, dass alle wichtigen Gesetze mit der Bevölkerung öffentlich diskutiert wurden und die Bevölkerung Änderungsvorschläge machen konnte. Trotzdem strebte das Land eine gesetzlich geregelte Grundlage an. 1976 war es soweit und mit der neuen Verfassung wurde auch das Gesetz zur Wahl der Volksmacht geregelt. Natürlich war auch dieses Gesetz mit der Bevölkerung diskutiert worden und es gab über 70.000 Änderungsvorschläge, bis über die neue Verfassung abgestimmt wurde. Die Verfassung wurde bei einer Wahlbeteiligung von 98 Prozent mit 97,7 Prozent der Wählerstimmen angenommen. Das Gesetz wurde immer wieder weiterentwickelt, seine letzte Fassung ist vom 29.10.1992.


Das Land wird in Wahlkreise aufgeteilt. In denen gibt es Bürgerversammlungen, die mindestens 2 Kandidaten für den Wahlkreis aufstellen müssen und bis zu 8 aufstellen können. Bei der Wahl ist derjenige Kandidat mit 50 Prozent oder mehr Stimmen gewählt. Erreicht dies keiner der Kandidaten, gehen die beiden Erstplatzierten in die Stichwahl. Wahlberechtigt sind die Kubaner ab 16 Jahren, das passive Wahlrecht, also das Recht, gewählt zu werden, hat man ab dem 18. Lebensjahr. Die Wahlen sind allgemein, gleich, frei und geheim. Nicht wahlberechtigt sind entmündigte Bürger oder Menschen, denen auf Grund von schweren Straftaten die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen wurden. Aus den gewählten Kandidaten setzen sich die Kommunalparlamente zusammen. Wahlkampf , wie wir ihn kennen mit allerlei Materialschlachten, Pomp und viel Show, gibt es in Kuba nicht. Die Kandidaten stellen sich auf Wahlversammlungen und bei Stadtteilbegehungen und es wird öffentlich ein Formular ausgehängt mit den persönlichen Daten der Kandidaten und ihren bisherigen politischen Aktivitäten. Alle gewählten Kandidaten sind rechenschaftspflichtig und müssen alle 6 Monate eine Versammlung durchführen, auf der die Bevölkerung sie abwählen kann. Die Gemeindeparlamente nominieren Kandidaten für die Regionalparlamente und für 50 Prozent der Sitze des Nationalparlaments, die zweiten 50 Prozent gehen an Kandidaten der Massenorganisationen wie den Gewerkschaftsverband, Frauenverband, Kleinbauerverband, Künstlerverband usw. – alle werden auf 5 Jahre gewählt. Kandidaten können für zwei Wahlperioden gewählt werden. Inzwischen wurde das Höchstalter, um gewählt werden zu können, auf 75 Jahre festgesetzt. Das Nationalparlament wählt den Staatsrat, den Ministerrat und den Staatspräsident. Die Abgeordneten werden nicht bezahlt, sondern bekommen das gleiche Geld, wie zuletzt an ihrem Arbeitsplatz. Nach dem Ausscheiden aus ihrer Abgeordnetentätigkeit kehren sie wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Das kubanische Wahlsystem enthält auch für uns einige interessante Elemente wie die direkt gewählten persönlichen Kandidaten auf der Gemeindeebene oder die Rechenschaftspflicht mit der Möglichkeit der Abwahl. Die jetzigen Wahlen in Kuba hatten die Besonderheit, dass die Generation, die die Revolution gemacht hat, den neuen Volksmachten nicht mehr angehören wird. Die Kubaner selbst sehen dies gelassen.

In der kubanischen Presse wurde betont, dass dies kein traumatischer Moment sei, weil man darauf vorbereite sei. Das sei eine politisch-ideologische Konditionierung der revolutionären Kräfte für einen historischen Moment, den das Land durchlebe und man sei bereit für diesen Wechsel. Das Vertrauen in die Partei, ihre Führung werde es mit sich bringen, dass dies zwar ein sehr wichtiger Prozess für das Land sei, aber ein natürlicher Prozess. Und die Bedeutsamkeit liege auch in der Gelassenheit, die das kubanische Volk immer ausgezeichnet habe.

Abschließend noch einige Daten zur jetzigen Zusammensetzung des Nationalparlaments: 612 Abgeordnete, davon sind 48.9 Prozent weiblich, das Durchschnittsalter beträgt 48 Jahre und die Wahlbeteiligung lag bei der letzten Wahl bei 89,68 Prozent.

Nur zum Vergleich: Von den 709 Bundestagsabgeordneten sind gerade mal 30,7 Prozent weiblich, das Durchschnittsalter beträgt 49,4 Jahre.

CUBA LIBRE Roland Armbruster

CUBA LIBRE 1-2018