Rollback in Lateinamerika?

Veranstaltung zur Situation Lateinamerikas und Kubas in Rostock.

Dank der guten Vorbereitung von Vorstandsmitglied Catharina Winkelmann, konnte die Regionalgruppe Rostock des RotFuchs Förderverein e. V. am 5. Mai zum ersten Mal in Rostock Volker Hermsdorf aus Hamburg als Gastreferenten herzlichst begrüßen.

Der Vorsitzende der Regionalgruppe begrüßte herzlichst die anwesenden Gäste und Referenten und bat zugleich um die Einlegung einer Gedenkminute für den tags zuvor verstorbenen ehemaligen DDR-Verteidigungsminister Heinz Kessler.

Der Journalist Volker Hermsdorf, regelmäßiger Autor in der "jungen Welt" und in dieser Zeitschrift, hielt einen Vortrag über Lateinamerika und Kuba.

Fragile Situation in Lateinamerika

Zum Einstieg in die Thematik begann er mit einem Gesamtüberblick über die derzeitige politische Lage in Lateinamerika und verband dieses sehr anschaulich unter Hinzuziehung zahlreicher Fakten mit Blick auf die historische Entwicklung auf diesem Kontinent. So wurde u.a. nochmals daraufhin gewiesen, dass besonders nach dem II. Weltkrieg viele ehemalige faschistische Kräfte aus Europa dort ihre neue Heimat fanden und unbehelligt lebten und dabei im Hintergrund entsprechende faschistische Strukturen aufbauten. Diese Strukturen wurden stets mit genutzt, um mit der Unterstützung durch den Geheimdienst CIA der USA u. a. paramilitärischen Organisationen, faschistische Militärputsche zu organisieren, wie in Uruguay, Argentinien, Chile, Haiti usw.

Erst mit der Revolution in Kuba 1959 beginnend und dann Ende der 1980iger Jahre mit Chavez in Venezuela, Ortega in Nicaragua entstanden progressive Gegenbewegungen. Zur aktuellen Lage war zusammenfassend festzustellen, dass in Lateinamerika die neoliberalen-reaktionärsten Kräfte seit Jahren eine starke Gegenoffensive gestartet haben, um die fortschrittlichen Regierungen zu stürzen. So ist in Chile nach dem Putsch von 1973 seit wenigen Jahren zwar eine gemäßigte liberale Regierung an der Macht, deren Existenz nach den Wahlen Ende 2017 aber eher ungewiss ist.

In Honduras ist durch den Putsch eine rechte Regierung an der Macht. In Argentinien wurde der rechtskonservative Unternehmer Mauricio Macri mit Hilfe der Monopolmedien mit knapper Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Er begann den neoliberalen Umbau des Staates und die Umverteilung zugunsten der Unternehmer. Die Folge ist, dass die Bevölkerung unter Preissteigerungen bis zu 500 Prozent leidet. Dieses geschah mit Unterstützung durch die CIA u.a. subversiver Kräfte aus dem Ausland, die die im Land nicht gänzlich beseitigten reaktionärsten Kräfte des letzten Militärputsch unterstützten.

In Kolumbien ist, Dank kubanischer Vermittlung, der Guerillakrieg vorerst beendet worden und die Befreiungsarmee hat die Zusage, sich als politische Kraft im Land zu betätigen. Hier sind 2018 Parlamentswahlen, welche mit großer Spannung erwartet werden.

Auch in Mexico sind 2018 Wahlen, die von großer Bedeutung sind, da mit der neuen USA-Regierung die Spannungen zwischen beiden Ländern zugenommen haben – Trump will u. a. eine Mauer zwischen den USA und Mexico bauen. Am Beispiel Mexico wurde sehr anschaulich deutlich, dass parteinahe Stiftungen wie z. B. von der CDU die Konrad-Adenauer-Stiftung, das Goethe-Institut oder auch die Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP regelrecht Planungsszenarien erarbeiten für den Fall, dass es in diesen Ländern für sie zu einem "Supergau" kommt und dort progressive Regierungen entstehen.

Eine sehr angespannte Situation besteht derzeit auch in Brasilien, wo vor wenigen Wochen der erste landesweite Generalstreik mit einer Beteiligung von über 40 Millionen Bürgern stattfand, der sich gegen die reaktionäre Temer-Regierung richtete. Dies wurde in den Medien regelrecht "tot geschwiegen". Stattdessen gab die ARD einer Demonstration gegen Putin mit ein paar Hundert Bürgern in Moskau den Vorrang in den Nachrichten.

Derzeit ist in vielen Länder zu beobachten, dass die Linken Kräfte noch sehr gespalten sind. In Ecuador ist nach den letzten Wahlen mit Lenin ein progressiver Politiker an der Macht, der den linken Kurs seines Vorgängers fortsetzen will. Allerdings gilt es auch zu beachten, dass dort immer noch Oligarchen-Strukturen bestehen.

In Nicaragua ist seit Jahren unter Führung von Ortega ein Antiimperalist an der Macht, der trotz vielfacher Probleme, einige bedeutende Erfolge vorweisen kann. Dieses Land wird in Zukunft durch den Bau des Kanals geostrategisch und wirtschaftlich noch an großer Bedeutung gewinnen, denn der Kanal zwischen den beiden Weltmeeren wird nicht nur tiefer und breiter ausgebaut sein als der Panama-Kanal, er wird mit Mariel, dem einzigen Tiefseehafen Kubas, in der ganzen Region die günstigste Alternative darstellen.

In Bolivien besteht derzeit eine linke Regierung, die endgültig die Eigentumsfrage im Interesse ihres Volks klären will. Aber Präsident Evo Morales kann laut derzeitiger Verfassung nicht noch einmal kandidieren – es sei denn, die Verfassung würde bis zu den Parlamentswahlen 2019 geändert werden. Er ist der erste und bisher einzige Präsident indianischer Herkunft in Lateinamerika. Dieses scheinbar unbedeutende Land hat weltweit die größten Lithiumvorkommen, die für die Computer- also IT-Branche von größter Bedeutung sind. Auch aus diesem Grund muss sich das Land gegen die reaktionärsten Angriffe schützen.

Mit der extrem angespannten Lage in Venezuela hatte der Referent ein brandaktuelles Thema angesprochen. Hier konnte Volker Hermsdorf sehr anschaulich das immer wieder praktizierte "Strickmuster" der reaktionärsten Kräfte mit vielen Fakten belegen. Eine Ähnlichkeit zum Maidan in Kiew wurde hier sichtbar. So hat u. a. Die rechte Opposition bei allen Wahlen bisher verloren und schürt durch illegale Machenschaften nun Engpässe bei der Bereitstellung von Medikamenten und lebenswichtigen Bedarfsgütern, indem diese Waren gehortet oder über die "Grüne Grenze" nach Kolumbien verschoben werden. Dass Venezuela weltweit die größten Öl- und Gasvorkommen der Welt hat, weckt wie stets die Begehrlichkeiten der USA und der anderen kapitalistischen Staaten.

Aktuelle Situation Kubas

Alleine dieser interessante Querschnitt in der Berichterstattung über Lateinamerika hätte zur Recht als eine erfolgreiche Veranstaltung bewertet werden können, aber es folgte in sehr detaillierter, spannender Überblick zu Kuba nach dem Tod von Fidel Castro.

Da Hermsdorf erst im Monat Februar 2017 auf Kuba weilte, waren seine geschilderten Eindrücke sehr aktuell und authentisch.

Lehren aus der Geschichte

Er zeigte, dass Kuba seit der Entdeckung 1492 durch Kolumbus bis zur Revolution 1959 immer unter irgend einer Fremdherrschaft gelitten hatte – zuerst die Spanier und später die USA. Obwohl keiner der derzeitigen Generation davon unmittelbar betroffen ist, so ist die Tatsache, dass Kuba einstmals der größte Umschlagsplatz des Sklavenhandels von Afrikanern war, allen Kubanern sehr bewusst. Darin liegt auch ein Grund des großen Wunsches der Kubaner nach Unabhängigkeit, Souveränität und Würde. Zum ersten Mal konnten die Kubaner nach der erfolgreichen Revolution über sich selbst bestimmen.

Kubas Stärken

Obwohl die westlichen Medien und Regierungen seit über 60 Jahren predigen, dass Kuba am Ende ist, existiert Kuba immer noch. Hans Modrow, letzter DDR-Ministerpräsident, sagte einmal: "...dass die Kubaner eine andere Mentalität haben als wir, denn sie haben ihre Revolution selber gemacht und sich befreit. Wir wurden 1945 mit Hilfe der Alliierten und hauptsächlich durch die Sowjetunion befreit, das ist trotz einer gegen den Faschismus existierenden Widerstandsbewegung ein Unterschied."

In den weiteren Ausführungen wurde deutlich, dass es Kuba auch in schwierigen Entwicklungsetappen Kuba stets große internationale Solidarität geübt hat, weltweit auf große Anerkennung damit gestoßen ist.

Diplomatische Erfolge

Besondere Beachtung schenkte der Referent der Entwicklung der letzten 3 Jahre. Kuba hat es durch sehr geschickte diplomatische Aktivitäten geschafft, dass es von den USA von der Liste der sogenannten "Schurkenstaaten" genommen wurde und dass in einer zeitgleichen Erklärung des USA-Präsidenten Barack Obama und Kubas Präsidenten Raul Castro am 17.12.2014 festgeschrieben wurde, ihre Beziehungen zu verbessern.

Probleme im Blick

Nicht unerwähnt blieben auch grundsätzliche Probleme in Kuba, die teilweise auch in der Mentalität begründet liegen. So seien die geringe Arbeitsproduktivität und -disziplin eine großes Manko. Dort, wo gewisse Produktionszweige unter militärischer Verantwortung liegen, klappe es sehr gut, aber ansonsten gäbe es große Probleme. Das ist der Regierung sehr bewusst und diese Kritiken sind auch Bestandteil in vielen Reden und Beschlüssen der Partei. Ein weiteres Problem sei die Landwirtschaft. Es wird vielfach angenommen, dass auf Kuba überall fruchtbarer Boden existiert, das sei aber nicht der Fall.

In der anschließenden Diskussion konnten aus Zeitgründen leider nicht alle Fragen beantwortet werden, weil zu jeder gestellten Frage der Referent einen extra Vortrag hätte halten können. Trotzdem konnte u. a. geklärt werden, wie die Position der EU zu Kuba sich geändert hat. Ebenso das erfolgreiche Wirken Kubas bei der Gründung der Alba. Eine sehr erfolgreiche Veranstaltung wurde mit aufrichtigem Beifall für den Referenten Volker Hermsdorf beendet.

CUBA LIBRE Carsten Hanke

CUBA LIBRE 3-2017