Wölfe im Schafspelz - Wie friedfertig sind die kubanischen Systemgegner?

Wo immer kubanische Systemgegner auftreten oder von den Medien des Mainstreams zitiert werden, ist einer ihrer ersten Sätze: »¡ Somos pacífico!« (Wir sind friedfertig.) Er gehörte zum Standard-Entree aller »Dissidenten«, die Anfang des Jahres auf weltweite Propagandatour gegen das Heimatland José Martís gegangen waren.

Zwei Fragen drängen sich auf. Zunächst die, warum die Systemgegner, ihre Hintermänner und Unterstützer so extrem ihre »friedlichen Absichten« herausstellen und – daraus folgend – die zweite Frage nach der Glaubwürdigkeit dieser Behauptung.

Das Gewaltverbot der UN-Charta

Die ähnlich lautenden Formulierungen von Menschen unterschiedlichster Bildungs- und Sprachniveaus lassen den Verdacht aufkommen, dass es auswendig gelernte Sätze sind, die ihnen von ihren »Partnern« in der US-Interessenvertretung (SINA) in Havanna eingebläut wurden. Diese Vermutung teilt auch der Jurist und emeritierte Professor für Internationales Recht an der Universität Hamburg, Norman Paech.

»Wenn Gewalt angewendet oder angedroht und dies von außen unterstützt würde, dann wäre das eine Souveränitätsverletzung und verstieße gegen das Gewaltverbot von Artikel 2, Ziffer 4 der UN-Charta«, erklärt Paech im Gespräch mit CUBA LIBRE. Deshalb legten die USA und alle Staaten, die »Regimewechsel« in anderen Ländern herbeiführen wollten, so großen Wert darauf, dass die unterstützten Kräfte »friedliche Oppositionelle« seien.

Doch wie glaubwürdig sind Menschen, die einerseits ihre Friedfertigkeit betonen und andererseits enge Kontakte zu Putschisten, Mördern, Faschisten und Terroristen pflegen?

Essen mit dem Top-Terroristen

Am 9. Juni 2011 landete Reina Luisa Tamayo auf dem Flughafen von Miami, wo sie unter anderem von den Veteranen der »Brigada Asalto 2506« begrüßt wurde, jenen Söldnern, die im April 1961 bei der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht 176 Kubaner getötet und über 300 verletzt hatten. In den Händen trug sie die Urne mit der Asche ihres im Vorjahr verstorbenen Sohnes, des »Dissidenten« Orlando Zapata. Die Welt zerfloss vor Mitgefühl für die so unschuldig und friedfertig erscheinende Frau, die vor den Fernsehkameras unter Tränen dafür dankte, »jetzt in einem freien Land leben zu dürfen«.

Luis Conte Agüero, der Terrorist Posada Carriles und die »Dame in Weiß« Reina Luisa Tamayo

v..n.r.: Luis Conte Agüero, der Terrorist Posada Carriles und die »Dame in Weiß« Reina Luisa Tamayo


Kaum zur Kenntnis nahm die freie Welt aber wenig später entlarvende Fotos, die die »Pazifistin aus Kuba« bei einem luxuriösen Essen an der Seite des Terroristen Luís Posada Carriles zeigten. Der Massenmörder und ehemalige CIA-Agent darf sich in den Straßen Miamis frei bewegen, obwohl er für den Bombenanschlag auf den Flug 455 der Cubana de Aviación am 6. Oktober 1976, bei dem 73 Menschen getötet wurden, und zahlreiche weitere Terrorakte verantwortlich ist. Was hatte Reina Luisa Tamayo, die von Wikipedia als eine der fünf prominentesten Mitglieder der Gruppe »Damas de Blanco« bezeichnet wird, in ihrer intimen Unterhaltung mit dem Top-Terroristen wohl zu besprechen?


Bewunderung für Diktatoren

Das Treffen war keine Ausnahme, denn Posada Carriles gehört zu den aktivsten Unterstützern ihrer Organisation und beteiligt sich regelmäßig an den Aktivitäten derer »Repräsentanten« in Florida. Der Ex-CIA-Agent ist auch nicht der einzige Kontakt der »Damas de Verde«, wie die Gruppe in Anspielung auf die Farbe des US-Dollars in Kuba genannt wird, zu rechten Mörderbanden.

Nach dem blutigen Staatsstreich in Honduras im Jahr 2009, bei dem hunderte Menschen getötet und tausende verletzt worden waren, schwärmte die mittlerweile verstorbene damalige Chefin der »Damas«, Laura Pollán, von dem Anführer des Putsches, Roberto Micheletti. Sie sei »zutiefst bewegt«, sagte Pollán in einem Telefonat, dessen Mitschnitt das kubanische Fernsehen sendete, »dass ein Mann, der diese Kraft in Honduras aufgebracht hat, unsere Gruppe unterstützt«. Es habe sie berührt, als sie erfahren habe, »dass ein solcher Mann jeden Tag zu Gott bete, damit sich in Kuba wieder eine Demokratie etabliert und damit Frieden und Glück auch nach Kuba kommen«. Ihre Bewunderung für Putschisten teilte die Pazifistenchefin mit dem im letzten Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Systemgegner Oswaldo Payá. Der hatte im April 2002 den gegen den gewählten Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, putschenden Faschisten schriftlich, seine »Bewunderung und Unterstützung« zugesagt.

Berta Soler

Berta Soler


Die heutige Anführerin der Damen, Berta Soler, steht ihrer Vorgängerin in nichts nach. In Madrid machte sie, nach einem Treffen mit dem ultrarechten früheren spanischen Ministerpräsidenten, José Maria Aznar, von der postfranquistischen Volkspartei (Partido Popular), keinen Hehl aus ihrer Bewunderung für den früheren kubanischen Diktator Fulgencio Batista, zu dessen Zeit Kuba ein »goldenes Kleinod« gewesen sei. Die rund 20 000 Kubaner, die in dieser Zeit von der Geheimpolizei getötet worden waren, zählen für die »friedfertige Pazifistin« nicht. Da sie das kubanische Volk nicht interessiert, bat sie von Miami aus, den venezolanischen Präsidenten, Nicolás Maduro, die Öllieferungen nach Kuba »sofort einzustellen «. Gleichzeitig forderte sie die US-Regierung auf, die Blockade gegen Kuba aufrecht zu erhalten und sprach sich für eine »Politik der harten Hand« gegen das Land aus, dessen kostenlose Gesundheitsversorgung und andere sozialen Leistungen sie gern in Anspruch nimmt.



Mörder für Menschenrechte

Michael Parmly instruiert mit ausgestrecktem Zeigefinger Elizardo Sanchez im Palast der Nationen am 1. Mai 2013

Michael Parmly instruiert mit ausgestrecktem Zeigefinger Elizardo Sanchez im Palast der Nationen am 1. Mai 2013


Ein anderer prominenter »Dissident«, der ehemalige Philosophieprofessor Elizardo Sánchez, versuchte zur gleichen Zeit in mehreren Städten Europas eine Annäherung der Europäischen Union an Kuba zu verhindern. Dazu traf er in Madrid José Maria Aznar und wurde – ausgerechnet am 1. Mai – im Genfer Palast der Nationen dabei fotografiert, wie er vom früheren Chef der US-amerikanischen Interessenvertretung und CIA-Zentrale (SINA) in Havanna, Michael Parmly, Whiskey trinkend Instruktionen entgegennahm.



Das Ergebnis war blamabel. Um die Europäer von einer Lockerung ihres »gemeinsamen Standpunktes « gegen Kuba (eine Art europäischer Mini-Blockade) abzubringen, präsentierte Elizardo Sánchez eine beeindruckende Liste mit den Namen von mehreren Dutzend angeblichen politischen Gefangenen, die – wie er versicherte – wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte in Kuba eingekerkert waren. Peinlich dabei: Auf Liste standen auch die Namen des bolivianischen Fußballprofis Boris Iván Pérez, des im Jahr 1760 in Córdoba geborenen spanischen Malers Dionisio Alcalá-Galiano sowie mehrerer Mitglieder des nationalen peruanischen Volleyballteams.

Nachdem Sánchez den »Irrtum« eingestanden hatte, enthüllte die spanische Ausgabe der »Le Monde diplomatique«, dass unter den »Menschenrechtsaktivisten« eine Reihe von gewöhnlichen Schwerverbrechern waren. Zu den von Sánchez aufgelisteten »friedlichen Oppositionellen« gehörten zwei Mörder, die 1992 nach einem bewaffneten Angriff auf eine Kindererholungsstätte am Strand von Tarará (nahe Havanna), wo sie ein Segelboot zur Flucht nach Florida stehlen wollten, drei Wachtposten und einen Polizisten erschossen hatten. Von Sánchez wurden die beiden zu 25 und 30 Jahren Haft verurteilten zu »politischen Gewissensgefangenen« erklärt. Die Zeitung listet namentlich mehr als ein dutzend weiterer Fälle von Kidnappern, Flugzeugentführern und Mördern auf Sánchez Liste auf.

Kniefall vor dem Mammon

Guillermo Fariñas würdigt den Terroristen Jorge Mas Canosa

Guillermo Fariñas würdigt den Terroristen Jorge Mas Canosa


Der in letzter Zeit glücklose Hungerstreik- Rekordler Guillermo Fariñas versuchte ebenfalls ein Stück von der Torte abzubekommen und legte dabei ein beeindruckendes Zeugnis seiner pazifistischen Gesinnung ab. Seine erste Aktion nach Ankunft in Miami Ende Mai war ein Kniefall. Begleitet von dessen Witwe erwies Fariñas dem früheren Mitglied der CIA und mehrerer Terrororganisationen, Jorge Mas Canosa die Ehre. Mas Canosa hatte im Jahr 1981 im Auftrag des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan die »Fundación Nacional Cubano Americana« (FNCA) gegründet, die Ende der 1990er Jahre unter anderem für eine Serie von Bombenanschläge auf Hotels in Havanna mitverantwortlich war.


1985 organisierte er die Flucht von Posada Carriles aus einem Gefängnis in Venezuela, in dem der Terrorist wegen der Sprengung des kubanischen Verkehrsflugzeuges im Jahr 1976 einsaß. Neben zahlreichen weiteren Aktivitäten für die CIA rekrutierte Mas Canosa unter anderem Söldner für den Kampf gegen die Regierung Angolas und unterstützte die Contras in ihrem Krieg gegen die sandinistische Regierung Nicaraguas. Heute ist die FNCA einer der größten Geldgeber für konterrevolutionäre Aktivitäten in Kuba.

Wurzeln rechter Gesinnung

Sánchez in Miami

Sánchez in Miami

Was wäre die Show ohne die reichste und meistprämierte pazifistische Kämpferin Yoani Sánchez? Auch sie hat auf ihrer luxuriösen Reise um die halbe Welt reichlich Beweise für eine wenig friedfertige Gesinnung geliefert. Ob der profaschistische Politiker Jair Bolsonaro (ein Anhänger der Militärdiktatur und der Folter) in Brasilien, der profranquistische José Maria Aznar in Spanien, die terroristische Organisation »Hermanos al Rescate« in Florida oder die alten Invasoren der Schweinebucht, die berüchtigte »Brigada Asalto 2506« in Miami: Yoani Sánchez ließ nichts und niemanden aus, der bei gewalttätigen Aktionen gegen Kuba Rang und Namen hat.



Sie bleibt rechtslastigen Positionen treu, die sie seit ihrer »Entdeckung « durch ihren Förderer Carlos Alberto Montaner vertritt. Der in Kuba als Terrorist geltende CIA-Agent Montaner, der in den 1970er Jahren unter anderem zusammen mit Orlando Bosch, Luis Posada Carriles und Jorge Mas Canosa aktiv war, und später Castro-Gegner in Europa organisierte, hatte Sánchez bei ihrem Europa-Aufenthalt zwischen 2002 und 2004 rekrutiert, zur Rückkehr nach Kuba gedrängt und sie beim Aufbau ihres Blogs beraten. Die Nähe der Bloggerin zur ultrarechten Szene ist also nicht neu und dürfte eine ihrer Wurzeln in der alten Verbindung zu Montaner haben.

Der Umgang zählt

Warten wir getrost den nächsten Auftritt von wem auch immer aus der von Washington bezahlten kubanischen »Opposition« ab. Wetten, dass der Satz »Yo soy pacífico « in dieser oder ähnlicher Form unter den ersten jedweder Erklärung ist. Doch schon vor 200 Jahren wusste Johann Wolfgang von Goethe solchen Selbstdarstellungen mit dem bekannten Aphorismus zu begegnen: »Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist.«

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CUBA LIBRE 3-2013