Ein cubanischer Häftling begeht Selbstmord und die Welt gerät aus den Fugen

Eigentlich könnte man meinen, es sei besser, nicht weiter auf den Selbstmord des cubanischen Häftlings Orlando Zapata einzugehen, um ihm nicht noch mehr Publizität zu verleihen. Aber angesichts der Tatsache, dass der Fall sich in Spanien zum größten Medienereignisses des noch jungen Jahres entwickelt hat und Spanien in diesem Jahr turnusmäßig den Vorsitz der EU ausübt, können wir ihn nicht einfach ignorieren.

Deswegen zunächst die schlichten Fakten:

Am 23. Februar 2010 stirbt nach 88 Tagen Hungerstreik der cubanische Häftling Orlando Zapata Tamayo im Almejeiras Krankenhaus in Havanna. Letztliche Todesursache war eine beidseitige Lungenentzündung.
Orlando Zapata wurde mehrmals wegen schwerer Körperverletzung zu längeren Gefängnisstrafen verurteilt. Offensichtlich neigte er zur Gewalttätigkeit. Unter anderem brachte er einem seiner Opfer mit der Machete schwere Kopfverletzungen bei.
Orlando Zapata war ein ganz gewöhnlicher Krimineller. Im März 2009 wurde ihm ein Gehirntumor entfernt. Ob dieser Tumor etwas mit seinen Gewaltausbrüchen zu tun hat, muss in den Bereich der Spekulation verwiesen werden.
Als er bereits im Gefängnis saß, wurde er von der Konterrevolution angeworben und er und seine Familie erhielten finanzielle Zuwendungen.

Im Dezember 2009 begann er einen Hungerstreik, um seinen Forderungen nach einem Fernseher, einem Telefon und einer eigenen Küche in der Zelle durchzusetzen.
Er lehnte jegliche medizinische Versorgung ab und konnte schließlich trotz großer Anstrengung der Ärzte nicht mehr gerettet werden. Präsident Raúl Castro bedauerte den Tod von Zapata.
Es ist traurig, dass ein Mensch sich auf so grausame Weise selbst zerstört und es ist tragisch, weil Cuba, das sich trotz aller ihm auferlegter Widrigkeiten sich immer seinen Humanismus erhalten hat und diesen Tod, den es medizinisch nicht verhindern konnte, als eine Niederlage ansehen muss.

Was folgte war eine Hass- und Verleumdungskampagne gegen Cuba ungeahnten Ausmaßes.

Sie kam etwas unerwartet. In europäischen Gefängnissen sind Selbstmorde von Häftlingen ein nicht gerade seltenes Ereignis. Sie bekommen eine Zeitungsnotiz, man sucht vielleicht nach Möglichkeiten sie zu verhindern, aber das ist auch schon alles. So etwas kann traurigerweise überall passieren, überall, aber nicht in Cuba.
Um eine Vorstellung zu bekommen von dem, was nun folgte soll als Kostprobe der Ungeheuerlichkeiten hier einmal wörtlich ein Teil des grauenhaften Briefes wiedergegeben werden, den einige spanische Künstler und Intellektuelle unterzeichnet haben. Eigentlich müsste man die Begriffe Künstler und Intellektuelle in Anführungszeichen setzen, denn es ist schlechthin nicht vorstellbar, wie Menschen, die noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, so etwas ernsthaft unterschreiben. Aber Almodóvar hat es getan und er ist ja wirklich ein ausgezeichneter Filmemacher, Victor Manuel, der letztes Jahr noch in Cuba auf dem Platz der Revolution gesungen hat und Ana Belén, die spanische Sängerin unter anderem.

Jack the Ripper

Wie heißt Ihr Mann, der wie sie sagen politischer Gefangener ist?
Jack the Ripper


"Für die sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Häftlinge aus cubanischen Gefängnissen; für den Respekt und die Förderung der Menschenrechte überall auf der Welt, für den Anstand und den Mut von Orlando Zapata Tamayo, ungerechterweise inhaftiert und brutal gefoltert in castristischen Gefängnissen, gestorben am Hungerstreik, der diese Verbrechen und den Mangel an Rechten und Demokratie in seinem Land anklagt, für den Respekt vor dem Leben derer, die es riskieren zu sterben wie er, um zu verhindern, dass die Regierung von Fidel Castro und Raúl Castro weiterhin ihre Gegner und friedliche Oppositionelle physisch eliminiert und sie zu Strafen von bis zu 28 Jahren wegen "Delikte" der Meinungsäußerung verurteilt, für den Respekt der physischen und moralischen Integrität unterzeichnen wir diesen Brief und fordern alle, die ihre Freiheit und die der anderen verteidigen wollen, auf, ihn zu unterzeichnen."
Der Brief trieft so von Lügen, dass er eigentlich Unterhaltungswert hätte, wenn der Anlass nicht so traurig und der Einfluss dieser Leute nicht so groß wäre.
Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn hier Zapatas Forderung nach privatem Fernseher, Telefon und Küche in der Zelle als Kampf für Rechte und Demokratie dargestellt wird und er selbst als ein Symbol von Anstand und Mut.


Die Geschichte, dass man in Cuba ins Gefängnis kommt, weil man seine Meinung äußert, wird ja immer wieder gequirlt. Auch die TAZ will ihren Lesern weismachen, dass Zapata deswegen verurteilt worden sei. Auch Amnesty International ist da inkonsequent. Einerseits gibt es nach deren Lesart "Gewissensgefangene" andererseits erkennt Amnesty aber an, dass diese von der Regierung der USA finanziert wurden und dass dies weltweit als Straftat gilt. Ein Widerspruch, der sich nicht auflöst.
Aber einen Brief zu unterzeichnen, in dem Cuba Folter und die Eliminierung von Oppositionellen vorgeworfen wird, solche ungeheuren Lügen hat noch keine ernstzunehmende Organisation gewagt zu verbreiten. Dazu braucht es dann spanische Intellektuelle wie Almodóvar.

Das alles war nur die Hintergrundmusik, die das Europäische Parlament auf den Plan rief und eilends eine Resolution verabschieden ließ.
Der spanische Regierungschef Zapatero sagte: "Und von hier aus fordern wir vom cubanischen Regime, dass es den Gewissengefangenen die Freiheit zurückgibt und die Menschenrechte respektiert."
Damals war es Zapatero, der die posición común, den gemeinsamen Standpunkt der EU-Staaten gegenüber Cuba in Frage stellte, der sich weigerte, weiterhin "Dissidenten" zum Botschaftsempfängen einzuladen. Die Solidaritätsgruppen hatten sich Hoffnung gemacht, dass jetzt mit dem Vorsitz in der Europäischen Union, diese unter Spaniens Führung auf Cuba zugehen würde. Was ist passiert?
Haben sich die rechten Kräfte zusammengetan und war Zapata die "nützliche Leiche", die dazu dient, eine neue Eiszeit gegen Cuba einzuläuten?

Vieles spricht dafür, dass Zapata von denen in den Tod getrieben wurde, die jetzt ihren Nutzen daraus ziehen. Nach 50 Jahren haben sie endlich ihren ersten "Märtyrer". In der Aufzeichnung eines Telefongesprächs kann man die zynische Unterhaltung zwischen Yaniset Rivero, Mitglied der von der CIA finanzierten Organisation "Directorio Democratico Cubano" mit Sitz in Miami und deren Agenten in Cuba, Juan Carlos González Leiva verfolgen. Daraus geht klar hervor, dass das Leben von Zapata sie keinen Deut interessiert. Ihr einziges Interesse liegt darin, dass die Mutter nicht zu ihrem Sohn ins Krankenhaus geht, sondern stattdessen für eine Pressekonferenz zur Verfügung steht.

Trotzdem stellt sich die Frage, warum gerade jetzt mit derartiger Vehemenz eine Verleumdungskrieg gegen Cuba gestartet wird. Wurde dieser Mann geopfert, damit die traditionelle Intervention der Europäischen Union gegen Cuba und Lateinamerika weitergehen kann?

Angesichts der Krise des Kapitalismus, unter der mehr und mehr auch die Bevölkerung der europäischen Länder leiden, die Länder wie Griechenland, Portugal und andere in existentielle Schwierigkeiten gebracht hat, ist die Aggressivität, gegen Länder, die ihre Unabhängigkeit und Souveränität gegenüber der neoliberalen Politik so tapfer verteidigen, nur allzu verständlich. Es wird auch hier zunehmend schwerer ein System zu verkaufen, in dem alle sieben Sekunden ein Kind unter zehn Jahren an Hunger stirbt, das allein in Lateinamerika und der Karibik 42% der Bevölkerung in Armut und 20% in absolutem Elend leben lässt. (Aktuelle Berechnungen der OECD gehen für 2010 davon aus, dass weitere 39 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze fallen.) Ein System, in dem laut UNO Bericht jährlich 1,2 Milliarden Menschen an Hunger sterben, darunter 350 Millionen Kinder. Ein System, in dem 2% Reiche mehr als die Hälfte des gesamten Reichtums des Planeten besitzen, während die Gesamtheit der armen Erwachsenen noch nicht einmal 1% für ihren Unterhalt zur Verfügung hat. Dieses System, dass der Mehrheit der Weltbevölkerung den Zugang zu lebensnotwendigen Dingen verweigert, und den großen Monopolen die Freiheit lässt, ihr Kapital anzuhäufen.

Wenn das Elend auch in Europa anklopft, steht ein Land im Wege, dass sich der Freiheit der Monopole widersetzt und das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Das möchte man der armen Mehrheit der Weltbevölkerung madig machen und da bleibt nicht viel mehr, als immer auf den angeblich politischen Gefangenen und auf der mangelnden Meinungsfreiheit herumzureiten.
Uns wird unentwegt eingeredet, wir könnten uns glücklich schätzen, da wir, im Gegensatz zu den Menschen in Cuba, die Meinungs- und Pressefreiheit genießen können.

Gran Prensa

Große Presse
Enrique Lacoste


Was man davon zu halten hat, wird uns wieder im Fall Zapata drastisch vor Augen geführt.

7 Korporationen kontrollieren 70% der Massenmedien weltweit. Diese Massenmedien definieren unsere Ideologie, unser Verhalten, unser Wertesystem. Die Kulturindustrie ist der wichtigste Teil dieser Superstruktur, die der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems dient. Jerry Mander, der Präsident des Internationalen Forums der Globalisierung liefert uns einige Daten: " 7 Korporationen besitzen 70% aller Massenmedien, d.h., dass 7 private Unternehmen das Fernsehen, die Satelliten, die Nachrichtenagenturen, die Kabelnetze, Zeitschriften, Radio, Zeitungen, Filmproduktionen, Internetverbindungen, Filmverleihe, also alle Kommunikationsmedien und deren Verbreitung kontrollieren. Dies ist die größte Konzentration an Eigentum von allen Industriezweigen. Aber diese Industrie handelt nicht mit Waren, sondern mit Bewusstsein. Ihr Ziel ist es, Dinge in die Köpfe der Leute zu bringen. Auf diese Weise erhalten viele Menschen das Weltbild, nach dem sie leben. Die 7 Korporationen, die das Monopol auf die weltweite Kulturindustrie haben, sind: Fox News, Time Warner, Disney, Sony, Bertelsmann, VIACOM, General Electric."

Diese Konzentration von Eigentum bei der Kulturindustrie erklärt die Einförmigkeit des Denkens, die Übernahme von Werten. So werden die Menschen dazu gebracht, das kapitalistische System mit all seinen Abnormitäten als normal zu akzeptieren.



Natürlich erklärt dieses Monopol der Kulturindustrie auch die systematische Aggression gegen Cuba.

Cuba transportiert die dem Kapitalismus entgegengesetzten Werte. Seine bloße Existenz macht deutlich, dass es noch einen anderen Daseinszweck für eine Gesellschaft geben kann, als die Anhäufung von Kapital. Damit das Humane dieses Systems in sein Gegenteil verkehrt wird, bekommen wir immer die angeblichen politischen Gefangenen und die mangelnde Meinungsfreiheit serviert. Die Meinungsfreiheit, die in unserer "freien Welt" von 7 Privatkonzernen gewährleistet wird.

Die größte aufgeblasene Zahl von angeblich politischen Gefangenen in Cuba beläuft sich auf nicht einmal 50 Leute. Darunter befinden sich Leute, die von der CIA bezahlt werden, einfache Kriminelle und Bombenleger. Diese 50 Gefangene beschäftigen die Presse der "Freien Welt" unentwegt, während Tausende von wirklich politischen Gefangenen in Mexiko, Peru, Nigeria und Kolumbien völlig unsichtbar bleiben. Das sind nämlich die Gefangenen von Ländern, die mit den USA und Europa befreundet sind.

Und dank unserer hervorragenden Meinungsfreiheit klappt es, dass 7.500 politische Gefangene in Kolumbien von den Massenmedien unsichtbar gemacht werden können.

Keinen Staatsterrorismus in Kolumbien mehr

Keinen Staatsterrorismus in Kolumbien mehr


Dabei handelt es sich um Gewerkschafter, Studenten, Bauern, Umweltschützer, alles Leute aus dem einfachen Volk, die mit plump zusammengestrickten Anklagen vor Gericht gestellt und wegen "Terrorismus" verurteilt wurden. Der Staatsterrorismus in Kolumbien hat mehr als 50.000 Menschen verschwinden lassen und mehr als 4,5 Millionen Menschen durch die Militärs und ihre Werkzeuge die Paramilitärs von ihrem Land vertrieben. Dann wurde das nun entvölkerte Land den Multinationalen und der Agroindustrie angeboten.

Aber was ist das alles gegen einen cubanischen Häftling, der nach einem Hungerstreik stirbt?

Einen Tag nach dem Tod Zapatas wurde Claudia Larissa Brizuela, ein Mitglied der Nationalen Widerstandsfront in Honduras, die gegen den gewaltsamen Putsch protestierte, ermordet. Für sie gab es keine Erwähnung in den Massenmedien. Genauso wenig wie die Ermordung von mehr als hundert sozialen Führern, Lehrern und Gewerkschaftern in Honduras jemals das Interesse der freien Medien fand.

Zum etwa gleichen Zeitpunkt gestanden kolumbianische Paramilitärs 30. 470 Morde begangen zu haben. 30.470 Morde in einem Land, das die "freie Welt" zu den Demokratien zählt. (Dabei handelt es ich nur um die zugegebenen Morde).
Welch ein Glück, dass es die freie Presse gibt, die diese Morde verschweigt.



Kurze Zeit vorher machte man in Kolumbien einen makabren Fund. Man entdeckte das größte Massengrab auf dem amerikanischen Kontinent. Es enthält die Überreste von mindestens 2.000 Personen und befindet sich in La Macarena. Seit 2005 hat die Armee Tausende Personen beerdigt, alle ohne Namen.

Um eine Ungeheuerlichkeit diesen Ausmaßes totzuschweigen brauchte man das Schweigen der Medien und man muss die Leute ermorden, die versuchen das Verbrechen bekannt zu machen, wie den sozialen Führer Jhonny Hurtado. Nur dank der Beharrlichkeit der Familienangehörigen der Verschwundenen und durch den Besuch einer britischen Gewerkschafts- und Parlamentarierdelegation, die im Dezember 2009 die Lage der Menschenrechte in Kolumbien untersuchte, gelang es, dieses von Militärs begangene Verbrechen aufzudecken.
Der Jurist Jairo Ramirez, Sekretär des Ständigen Komitees für die Verteidigung der Menschenrechte in Kolumbien beschrieb die gespenstische Szene: "Das, was wir sahen, war schaurig. Unendlich viele Leichen und auf der Oberfläche Hunderte von weißfarbenen Holzplatten mit der Aufschrift NN und mit Daten von 2005 bis heute."

Keine Resolution im Europäischen Parlament zu den zu 30.470 Morden begangen von den Handlangern des kolumbianischen Militärs.

Keine Forderung Zapateros das Morden in Kolumbien zu beenden und die Menschenrechte zu respektieren. Keine Entschließung, die das Massengrab zum Thema gehabt hätte.
Warum auch? Die Interessen der 7 mächtigen Medienkonzerne und ihrer Regierungen gehen konform. Kolumbien foltert und tötet zwar Tausende von politischen Gefangenen als Teil seines Befriedungsplans, aber es tut dies im Interesse der Multinationalen und wird von der Europäischen Union dafür mit Waffen versorgt.
Die Komplizenschaft des Schweigens von europäischer Union und Medien funktioniert genauso gut, wie gegen Cuba die aggressive Lügenkampagne.

Wehe dem, der sich dieser Kampagne entgegenstellt.

Noch ist es nicht so weit, dass er wie in Kolumbien Jhonny Hurtado physisch ermordet wird, eine soziale Ermordung findet aber bereits heute statt. Der Druck ist so groß, dass jeder in Spanien, der sich nicht der Entrüstung über den Freitod von Zapata anschließt, sich sofort in einen öffentlichen Feind verwandelt, in einen Komplizen von Diktaturen und Terrorismus. So erging es dem Schauspieler Willy Toledo, der von den Medien öffentlich gelyncht wurde. Er hatte nur sein Bedauern wegen des Todes von Zapata ausgesprochen und die cubanische Regierung getadelt, weil sie nicht in der Lage gewesen sei, ein Leben, das in ihrer Verantwortung stand zu schützen. Aber Willy Toledo wagte es auch zu sagen, dass der Tote ein "einfacher Krimineller gewesen sei. Damit hatte er medialen Selbstmord begangen und seine Karriere aufs Spiel gesetzt. Es gibt Themen, die nicht öffentlich diskutiert werden dürfen, bei denen keine abweichende Meinung geduldet wird. Wer gegen dieses Prinzip verstößt, wird gesellschaftlich geächtet – und was Cuba angeht, da sind sich die 7 mächtigen Medienkonzerne einig.

Zapata Tamayo ist für die Massenmedien, die Europäische Union und die USA genauso wenig interessant wie die ermordeten Honduraner und Kolumbianer. Er spielt nur seine Rolle im Medienkrieg gegen Cuba. Das tiefe Mitgefühl, für den einen toten cubanischen Gefangenen, das sie über alle Medien verbreiten ist pure Heuchelei, wenn es den über 30.000 ermordeten Kolumbianern (um nur ein Beispiel zu nennen) verweigert wird.
Nur das wird die Öffentlichkeit nie erfahren, dafür werden die Medien schon sorgen.

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