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Wie US-BürgerInnen auf der Suche nach medizinischer Hilfe auf Kuba landeten

An dem US-amerikanischen Filmemacher Michael Moore scheiden sich die Geister. Ob es sich um "Bowling for Columbine" oder "Fahrenheit 9/11" handelte, immer gab es neben überzeugten Fans auch heftige Kritiker von Moore. Bei seinem neuen Film "Sicko" hat sich die Begeisterung und die Ablehnung noch verschärft.

Der Film handelt vom Bankrott des Gesundheitssystems in den USA. Wie immer lässt Moore Betroffene vor der Kamera ihr Leid klagen. Ein Familie musste wegen einer hohen Rechnung nach einer Operation ihr Haus verkaufen und zu ihren Kindern ziehen. Andere wurden aus dem Krankenhaus gewiesen, weil sie nicht zahlungskräftig genug waren. Moore zeigt auf, dass der Satz, weil Du arm bist, musst Du früher sterben, in den USA bittere Realität ist.

Er zeigt auch, wie die Pharma- und Ärztelobby unter Clinton zaghafte Versuche, eine Sozialversicherung einzuführen, verhinderte. Diese gescheiterte Reform ist eng mit Hillary Clinton verbunden und könnte ihr im Präsidentenwahlkampf noch schaden. Denn gegen das große Geld konnte sie sich nicht durchsetzen. Es spricht für Moores Ehrlichkeit, dass der Unterstützer der Demokraten, hier keine Retuschen an der Realität vorgenommen hat.

Die Schwächen des Films liegen woanders. Denn so genau Moore das Versagen des US-Gesundheitssystems beschreibt, so wenig vermag er die Ursachen zu erkennen. Dass die kapitalistische Verwertungslogik daran Schuld ist, entzieht sich seiner Vorstellung.

Statt dessen stellt er dem maroden Gesundheitssystem die Alternative in Kanada und Europa gegenüber. Moore kann kaum aufhören, über dessen Vorzüge zu schwärmen oder schwärmen zu lassen.

Es mag richtig sein, dass in den meisten europäischen Ländern die Versorgung auch für Menschen mit wenig Geld, besser als in den USA ist. Das ist aber die Folge einer einmal starken sozialen Bewegung, die hier Reformen erkämpften, die mittlerweile längst zurück gedreht werden.

Vom Stellen- und Sozialabbau im europäischen Gesundheitswesen, von der Zwei-Klassen-Medizin und der zunehmenden Privatisierung auch auf diesem Sektor, erfährt man bei Michael Moore wenig. Statt dessen bedient er den Stammtisch, wenn er sich darüber aufregt, dass für angebliche Al-Quaida-Terroristen in Guantánamo eine bessere Gesundheitsversorgung gewährleistet wird, als den Feuerwehrleuten, die am 11. September bei den Löscharbeiten halfen und davon krank wurden.

Für Moore mag es sich hier um ein taktisches Argument handeln, um auch in konservativen Kreisen der USA Gehör zu finden. Tatsächlich aber bedient er damit Ressentiments.

So wäre es ein eher mittelmäßiger Film, wenn nicht das Ende doch noch einmal zum Nachdenken anregte.

Auf Guantánamo abgewiesen, landet Moore mit einer Schar von Kranken auf der Suche nach Behandlung in Kuba. Dort werden PartientInnen untersucht, geröntgt, ihnen werden Medikamente verschrieben und zahlen müssen sie dafür keinen Cent. Die Patientendelegation wird genau so behandelt, wie jeder Kubaner und wie die zahlreichen Menschen aus aller Welt, die zur Behandlung nach Kuba kommen.

So macht der Film am Schluss noch einmal deutlich, dass die Krise des Gesundheitssystems eine Folge des Kapitalismus ist und dass es auch Alternativen gibt.

Was sich die reichen USA nicht leisten wollen, nämlich Geld für Gesundheit auszugeben, ist in Kuba seit der Revolution Alltag. Trotz widriger Umstände, einem internationalen Boykott etc. hatte und hat ein erstklassiges Gesundheitssystem in Kuba bis heute Priorität.

Das wird im Film deutlich und genau deswegen gab es z.B. an der Schlussszene soviel Kritik.

Ein Krankenhaus in Havanna nimmt sich schließlich der PatientInnen an, bringt die teuersten Geräte für die vernachlässigten Amerikaner in Stellung und erfährt deren Dankbarkeit.

Die Reise zum Feind nach Kuba wird Folgen haben, Moore hat das US-amerikanische Handelsembargo verletzt, ihm droht nun ein Prozess.

Der Film, der vor allem in den USA zum Kassenschlager wurde, ist schon ein Politikum. Schließlich erfahren viele US-AmerikanerInnen einmal ganz deutlich, dass Ihnen bei der gesundheitlichen Sicherheit für Menschen mit wenig Geld, Kuba weit überlegen ist.

Für Menschen in Deutschland ist der Film trotz einer gewissen Schönfärberei der Verhältnisse in Europa trotzdem ein Vergnügen. Denn vieles kann man dem Gesellschaftskritiker vorwerfen, vor allem seinen gnadenlosen Reformismus. Doch im Gegensatz zu dem räsonierenden und humorfreien Raunen einer Daniela Dahn, eines Friedrich Schorlemmer ider eines Mathias Grefrath, die hierzulande als GesellschaftskritikerInnen gelten, haben Moores Arbeiten Unterhaltungswert und sind lustig.

Logo CUBA LIBRE Peter Nowak

CUBA LIBRE 2-2008