Das Internet und Cuba - plötzlich war es da. Es geisterte durch alle Medien

Wenn man zurückverfolgt, was diese Lawine ins Rollen brachte, so ist der Anlass banal. Irgendeine Spanierin hatte bei ihrem Besuch in Cuba festgestellt, dass es neben dem Internet auch ein Intranet gibt – sie veröffentlichte diese bahnbrechende Erkenntnis und eine neue Anti-Cuba-Kampagne war geboren. Dabei war gar nichts passiert. Das Intranet gab es schon lange, aber wenn es um Cuba geht, kommt es nicht auf solche Kleinigkeiten an.

"Cuba weiter vom Cyberspace isoliert", die BBC vermeldete es und die ganze Welt wand sich in Gram über das schwere Schicksal der CubanerInnen. Selbst für Nicaragua mit einem Internetzugang von 0,04% schien es kein größeres Problem zu geben.

Bei so vielen Emotionen bleiben die nüchternen Fakten auf der Strecke, die wollen wir einmal nachliefern.

Im Jahre 1994 hatte Cuba seinen ersten Internetzugang über ein Drittland. Bis dahin hatten die USA jeglichen Zugang verweigert. Erst 1996 gewährte man Cuba den vollen Zugang, aber wahrscheinlich auch nur, weil man eine weitere Möglichkeit sah, sie subversiv zu nutzen.

In Cuba müssen alle Verbindungen über das Internet über Satellit laufen. Diese Verbindung über Satellit ist viel kostspieliger und von viel schlechterer Qualität als die Verbindungen über Glasfaserkabel. Zwar existieren auch im karibischen Raum diese Glasfaserkabel, aber die US-Behörden erlauben es Cuba nicht, sie zu benutzen.

Damit hätte Cuba eine viel höhere Übertragungsgeschwindigkeit und natürlich auch eine bessere Qualität.

All diese Beschränkungen hatten zur Folge, dass Cuba einen eigenen spezifischen Plan für den Zugang zum Internet entwickeln musste und dabei hatten zunächst einmal die sozialen Netzwerke Vorrang.

Im Augenblick gibt es in Cuba 270.000 Computer, von denen 65% Zugang zum Internet haben. Wie bei uns ist auch dort die häufigste Form des Internetzugangs über Telefon. Das Telefonnetz dient also zur Datenübermittlung. Nur ist in Cuba das Telefonnetz nicht so gut ausgebaut wie bei uns und deshalb sind oft die Linien blockiert, weil ein Teil für die Datenübermittlung genutzt wird. Deshalb ist man dabei, mehr in die Zentralen zu investieren um mehr Verbindungen auf einmal zu ermöglichen.

Eine Stunde Internet verbraucht nämlich soviel Linien, als ob 10 Telefonate gleichzeitig verbunden sind.

Je mehr Cuba darin investiert, desto weniger Geld bleibt übrig für die Digitalisierung des Telefonnetzes. Es gibt aber in Cuba immer noch viel zu wenig Telefone, auch wenn sich seit 1995 die Anzahl der Telefone verdoppelt hat.

Ein weiteres Problem beim Internet sind die Kosten der Satellitenverbindungen. Bei einer Telefonverbindung ist es so geregelt, dass jeder Teilnehmer seinen Teil der Verbindung bezahlt.

Beim Internet bezahlt derjenige, der die Verbindung will, alles – was bedeutet, dass eine Internetverbindung Cuba doppelt so viel kostet wie eine Telefonverbindung. Zusätzlich müssen noch die Satellitensegmente und die Verbindung zum Server des jeweiligen Landes bezahlt werden.

Die Kosten sind also enorm und man muss sich Gedanken machen, wie man dieses Problem lösen kann. Man hat deshalb mit der Entwicklung einer eigenen Glasfaser begonnen und beschäftigt sich ebenfalls mit digitalen Mikrowellen.

Das analoge Netz ist inzwischen zu 80% durch ein digitales ersetzt, eine teure Investition, die bisher schon Hunderte Millionen Dollar verschlungen hat. Trotzdem sind Las Tunas und Bayamo von der Digitalisierung noch nicht erreicht worden. Außerdem gibt es immer noch 20 Bezirke mit weniger als einem Telefon pro 100 Einwohner.

Die Infrastruktur reicht also bei weitem nicht aus, aber das ist ein Problem aller Länder der Dritten Welt. Cuba hat zwar einen Bedarf wie ein entwickeltes Land, aber die Infrastruktur entspricht nicht der Entwicklung, die man gerne hätte. Aber im Unterschied zu vielen anderen Ländern Lateinamerikas in denen sich der Bedarf hauptsächlich auf die Hauptstädte konzentriert , möchte man in Cuba allen 169 municipios das gleiche hohe Niveau an Dienstleistungen anbieten.

Trotzdem ist Cuba nicht von der Entwicklung abgehängt. Es gibt zwar auch nur 270.000 Computer, aber diese werden gut genutzt.

46.290 in Grundschulen, 24.000 in der Sekundarstufe, 22.900 in den Klassen 11 und 12. Darunter sind 99 Schulen auf dem Land, in denen der einzige Schüler, der sie besucht, neben dem Lehrer auch einen Computer hat.

Die "joven clubs de computacion" haben seit ihrem Entstehen 1987 mehr als eine halbe Million Kinder und Jugendliche und alte Menschen usw. in die Geheimnisse des Computers eingeweiht. Heute sind 97% der Einrichtungen ans Internet angeschlossen. Sie stellen so etwas wie die Alphabetisierung der CubanerInnen im Informationszeitalter dar.

Inzwischen bilden sich 30.000 Jugendliche auf polytechnischen Schulen in Informatik aus.

Man hat also die Ressourcen nicht nur zur Schaffung einer Infrastruktur benutzt, sondern auch dazu, die Bevölkerung für die Entwicklung der Kommunikation und Informationstechnologie vorzubereiten.

Aber Cuba werden hier immer noch viele Steine in den Weg gelegt und man lässt sich etwas einfallen, sie zu überwinden. Das Instituto Polytecnico Jose Antonio Echevaria ISPJAE hat mit 2mbps die höchste Übermittlergeschwindigkeit für cubanische Universitäten. Aber wenn sie mit dieser Bandbreite, dieser Geschwindigkeit nicht sorgsam umginge, könnte man nicht wirklich viel mit dem Internet anfangen. Es geht also darum den Zugang optimal zu nutzen.

Deswegen wurde ein starkes Intranet entwickelt. Das Intranet ermöglicht alle Dienste des Internets, aber ausgehend von lokaler oder nationaler Basis. Ein Supercomputer als Verbindungsbasis zu allen anderen Computern. Sie sind durch ein Cluster Modell miteinander verbunden. Dieser spezielle Computer hat 2,4 terrabytes Speicherkapazität. Das ist eine Menge, die man braucht, wenn man eine Kopie aller wichtigen Daten weltweit speichern will und zusätzlich noch die täglich neu hinzukommenden 3 gigabytes, was etwa der Menge an wichtiger neuer Information entspricht, die sich täglich weltweit ansammelt.

Dieser Cluster, zu dem das ganze Land Zugang hat, ist einfach ein Element mehr. Anstatt dass sich alle unkoordiniert Zugang zu diesen Daten verschaffen müssen, sind sie alle als naturgetreue Kopie vorhanden, die jeden Tag aktualisiert wird und zu der alle Institutionen Zugang haben, ohne dass das Netz zusammenbricht.

Das rationalisiert die Kosten und die Datensuche und ermöglicht effizientere wissenschaftliche Arbeit.

Internet und Intranet existieren also friedlich nebeneinander und ermöglichen die unter den gegebenen Bedingungen für Cuba effektivste Nutzung der Vorteile der Informationsgesellschaft.

Das Land nutzt die Möglichkeit für seine wissenschaftliche Entwicklung und wahrt so die Chance, von den Industrieländern nicht abgehängt werden. Es arbeitet daran, seine Infrastruktur zu verbessern und seine humanen Ressourcen gut auszubilden.

93,4% der Bevölkerung Lateinamerikas hat keinerlei Zugang zum Internet. In Cuba lernt jedes Grundschulkind wie man Computer und Internet nutzt.

Trotz der hohen damit verbundenen Kosten benutzt Cuba das Internet auf sehr vernünftige und kreative Weise.

Und plötzlich regt die ganze Welt sich scheinheilig auf, weil die Regierung von privaten Internetnutzern verlangt, dass sie den für Cuba unendlich teuren Internetzugang aus eigener Tasche zahlen. Jeder würde einsehen, dass das Kopieren von Musik aus dem Internet ohne zu bezahlen, illegal ist. Genauso ist es illegal, den Computer an der Universität oder im Büro zu benutzen, um damit Geld zu verdienen.

Wenn aber ein Cubaner Internet Accounts auf dem Schwarzmarkt verkauft und somit das Geld der Regierung stiehlt, ist das ein Akt der Freiheit. Und wenn die Regierung das unterbindet, dann ist sie repressiv.

So ist das eben. Wir sind gespannt, über welche Verleumdungskampagnen wir in der nächsten CL berichten dürfen.

CUBA LIBRE

CUBA LIBRE 2-2004