Alle Jahre wieder

Das alljährliche Spektakel, in dem Cuba jedes Jahr der Verletzung der Menschenrechte angeklagt wird, wurde dieses Mal früh eingeleitet. Anfang Februar sickerte bereits durch, dass auch die mexikanische Regierung einen entsprechenden Antrag plante, eine moderate Ausführung dessen, was die tschechische und polnische Regierung im Auftrag der USA vorbereiteten.

Die mexikanische Variante sollte die cubanische Regierung ermahnen, die Menschenrechte mehr zu respektieren aber gleichzeitig die Aufhebung der US-Wirtschaftssanktionen fordern. Als aber Marie Claire Acosta im Auftrag der mexikanischen Regierung bei einem Besuch in Havanna versuchte, die Zustimmung der cubanischen Regierung für diesen Antrag zu bekommen, biss sie auf Granit.

Anfang Februar reiste dann der argentinische Außenminister Giavarini nach Washington. Als Cuba auf der Tagesordnung seiner Gespräche mit Colin Powell stand, war klar um was es eigentlich ging – nämlich darum, die Stimme Argentiniens für die Verurteilung Cubas zu bekommen. Nun ist es natürlich nicht schwer, Argentinien mit seinen 147 Milliarden Dollar Schulden unter Druck zu setzen. Als Fidel Castro ihn jedoch beschuldigte, er habe sich von den USA die Stimme abkaufen lassen, beharrte er darauf, dass Argentiniens Position nach nicht fest stehe.

Ein vertraulicher Brief von Außenminister Powell lässt anderes vermuten

"Ihre Stimme war bereits letztes Jahr entscheidend. Die Unterstützung Argentiniens für die Demokratie und die Menschenrechte wird in ganz Cuba, Lateinamerika und der Welt widerhallen. Er wird die cubanischen Aktivisten für Demokratie anspornen, die auf ein besseres Morgen hoffen.

Ich weiß, dass wir auch in diesem Jahr wieder auf Sie zählen können, besonders, da die Zusammensetzung der Kommission noch viel günstiger ist. Ich hoffe mit Ihnen bei der Lobbyarbeit zur Beschaffung der nötigen Stimmen, die zur Zustimmung dieser Resolution erforderlich sind, zusammen zu arbeiten. Ihr ergebener Colin Powell."

Am 19. März begann dann die hieße Phase für die Kämpfer der Menschenrechte

Die USA schickten Regierungsdeklarationen in die für eine Abstimmung wichtigen Nationen und benutzten sogar Militärattachés bei ihrer Kampagne des Stimmenkaufs und der Einschüchterung.

Ein bestimmter Staatschef erhielt 10 Telefonanrufe von Präsident Bush an einem einigen Vormittag.

Die UNO-Vertretung in Genf wurde zu einem Albtraum für viele Delegierte, besonders für die aus den afrikanischen Ländern. 70 Funktionäre, darunter auch die Interessenvertreterin der USA in Havanna, bedrängten sie, sobald sie das Gebäude betreten hatten. Jedes afrikanische Land wurde einzeln ins Gebet genommen. Jedem wurde klar gemacht, dass sie nur bei einem Votum gegen Cuba in den Genuss des vom Kongress verabschiedeten Gesetzes zum Wachstum und für wirtschaftliche Chancen kämen. Kamerun drohte man, es selbst der Menschenrechtsverletzungen anzuklagen, wenn es den US-Antrag gegen Cuba nicht unterstütze. Einigen Nationen wurde sogar Geld für die AIDS Bekämpfung angeboten, wenn sie für die Resolution stimmen würden. So brachte man Kamerun dazu, für die Verurteilung Cubas zu stimmen und den Senegal, Kenia und Niger dazu sich zu enthalten.

Als die entscheidende Abstimmung beginnt, sieht man den Vertreter der Demokratischen Republik Kongo schnell den Saal verlassen (ihm war angedroht worden, die USA würden andernfalls den Prozess für den Inneren Frieden im Kongo boykottieren) und einen US-Funktionär beschwörend vor dem Vertreter Burundis knien (ein Bild, das im cubanischen Fernsehen gezeigt wurde und dort für große Heiterkeit gesorgt hat.)

Und Europa? - Ein Trauerspiel für sich

Zunächst hatten die 15 Mitgliedsstaaten der EU die gemeinsame Position, dass die Menschenrechtsresolution mit einer Verurteilung des Embargos einher gehen müsste, mit der Begründung, die negativen Auswirkungen des Embargos auf die Bevölkerung stärke das Regime. Aber dieser Zusammenhalt zerfloss, sobald die USA klar machten, dass das Embargo unter keinen Umständen in der Resolution erwähnt werden sollte.

Sofort stellten sich Deutschland, Holland und Dänemark auf die Seite der USA.

Daraufhin drohte Frankreich zum ersten Mal in diesem Forum die europäische Einheit zu sprengen. Spanien, Italien und Belgien kritisierten zwar den US-Vorschlag, machten aber keine Anstalten, sich auf die Seite Frankreichs zu stellen. Schließlich fand man den schönen Satz, dass man "Maßnahmen anwenden sollte, um die ökonomische Situation des cubanischen Volkes zu verbessern", und Frankreich kehrte zur europäischen Einheit zurück.

Nicht dass der andere Entwurf irgendetwas geändert hätte. Cuba hat deutlich gemacht, dass es gegen den Text überhaupt ist und gegen das ganze Szenario, das damit verbunden ist. "Ob die Blockade erwähnt wird oder nicht, ändert nichts an der Tatsache, dass die Resolution diskriminierend, selektiv und ungerecht ist. Sie macht aber zweifellos die Bestimmung der tschechischen Republik deutlich und deren wirklich dramatisches Bedürfnis einen Satelliten zu finden, um den sie kreisen kann." So Außenminister Perez Roque in einem Interview.

Ergebnis der Abstimmung:
22 Ja Stimmen, 20 Nein Stimmen, 10 Enthaltungen


Für die Verurteilung stimmten: Deutschland, Argentinien, Belgien, Kamerun, Kanada, Südkorea, Costa Rica, Guatemala, Tschechien, USA, Spanien, Frankreich, Italien, Japan, Lettland, Madagaskar, Norwegen, Polen, Portugal, Vereinigtes Königreich, Rumänien, Uruguay.

Dagegen: Algerien, Saudi-Arabien, Burundi, Cuba, China, Indien, Indonesien, Liberia, Libyen, Malaysia, Nigeria, Pakistan, Katar, Russland, Südafrika, Swasiland, Syrien, Venezuela, Vietnam, Sambia.

Enthalten: Brasilien, Mexiko, Kolumbien, Ecuador, Kenia, Niger, Peru, Thailand, Senegal, Mauritius.

Die USA haben keine Freunde, sie haben nur Verbündete ...

Oder wie die einzige Weltmacht aus dem Menschenrechtsausschuss flog.

Seit 1947, seit Bestehen dieser Kommission, sind die Vereinigten Staaten darin vertreten. Wahrscheinlich war es für sie schlicht unvorstellbar, dass man ihr, der selbsternannten Herrin über die Menschenrechte, einen solchen Abgang verschaffte.

Ausgepowert von der mehrwöchigen Lobbyarbeit gegen Cuba waren die meisten US-Vertreter bereits abgereist. Um ganz sicher zu gehen, hatte man noch versucht, Schweden und Österreich davon abzubringen, ebenfalls für die Kommission zu kandidieren, aber überraschenderweise kam man dem Begehren nicht nach und beschloss bei einem Treffen der UNO Botschafter der EU, dass weder Schweden, noch Österreich noch Frankreich seine Kandidatur zurückziehen würden.

41 der 53 Wahlberechtigten hatten den Vereinigten Staaten allerdings schriftlich das Versprechen gegeben, für sie zu stimmen.

Dumm für die USA, dass diese Abstimmung, im Gegensatz zu den Abstimmungen bei den Resolutionen geheim sind – denn bei einer geheimen Wahl ist der Druck, den man auf die Wähler ausüben kann, begrenzt.

Ob es jetzt an der Haltung der USA zum Raketenschutzschild, zu Kyoto oder zu den AIDS Medikamenten lag oder ganz einfach daran, dass die Delegierten ohne Angst und Erpressung frei entscheiden konnten, man wird es nie genau wissen.

Sicher ist aber, dass sich einige der Länder, die sich bei der Cuba Abstimmung dem Druck der USA gebeugt hatten, jetzt ihr Gewissen erleichterten.

Wie anders wären sonst das Lachen und der Applaus zu verstehen und die vielen Delegierten, die auf die cubanischen Vertreter zugingen, um sie zu beglückwünschen, als das Ergebnis bekannt wurde.

Wie die Washington Post feststellte, müssen auch Freunde der USA dagegen gestimmt haben.

CUBA LIBRE
Renate Fausten

CUBA LIBRE 3-2001