Es geht um Piranhas

In gewissen Abständen tauchen Ansichten ausländischer Beobachter auf, die mehr oder weniger ehrlich meinen, einen Widerspruch darin zu sehen, daß Cuba Verbindungen mit ausländischem Kapital akzeptiere, dafür sogar seine sozialistische Verfassung geändert und entsprechende Gesetze erlassen habe, während es andererseits im Innern kapitalistische Investitionen von cubanischen Bürgern in kleine und mittlere Unternehmen ablehnt. Diese Beobachter dichten uns an, wir fühlten uns in Begleitung von Haien wohl, in der von Sardinen dagegen schlecht.

Dies ist ebenfalls einer der Angriffe des Mafia-Radios aus Miami, wenn es zum Schein sozialdemokratische und reformistische Positionen einnimmt, obwohl seine langfristige Strategie die der Annexion unter der totalen Herrschaft der Yankee-Multis ist.

Die Antwort auf diese Meinungen hat nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen und ideologischen Charakter.

Erstens. Diese Verbindungen mit Ausländern – wir hätten es vorgezogen, sie nicht einzugehen – erlauben uns, Kapital, Technologie und Märkte zu erschließen. Damit helfen sie objektiv, dem Wirtschaftskrieg des historischen Feindes Cubas Widerstand zu leisten, dem wir hauptsächlich mit unseren eigenen Kräften begegnen.

Zweitens. Die gemischten Unternehmen mit ausländischem kapital sind durch vertragliche Vereinbarungen zeitlich begrenzt. Sie sind vor Maßnahmen geschützt, die die Interessen der Partner verletzen. Innerhalb der Betriebe gelten Vereinbarungen zum Schutz der Kollektive unserer Arbeiter.

Drittens. Die vermeintlichen Investitionen der Cubaner können kein notwendiges Element zur Entwicklung des Landes beisteuern. Wir sind auch nicht an der Einfuhr von finanziellen und anderen Mitteln für die Rückkehr einer heimischen Klasse von Ausbeutern mit ausländischer Beratung und Unterstützung interessiert.

Viertens. Die Schaffung wirtschaftlicher Grundlagen für eine lokale Bourgeoisie würde eine soziale Kluft einführen, die früher oder später der Konterrevolution dienen würde. Vor derartigen Machenschaften ist die Revolution gewarnt. Zum Abschluß des 5. Parteitages hatte Fidel erklärt:

"Selbstverständlich versichere ich Ihnen jetzt, daß in den Köpfen der Führungskräfte und der Leitung der Partei der Gedanke an die Privatisierung unserer Industrien nicht vorhanden ist.

Wenn eine Fabrik geschlossen werden muß, dann muß sie schließen, wenn es aus wirtschaftlicher Sicht absolut unmöglich ist, sie rentabel, für die Wirtschaft brauchbar zu gestalten, sie in eine Fabrik zu verwandeln, die keine Verluste bringt. Aber darf man den Gedanken zulassen, die Idee akzeptieren, daß wir cubanischen Revolutionäre nicht fähig sind, wo ein Privater, wo ein Kapital fähig ist?"

Auf scharfe Weise wies unser Erster Sekretär zurück, "über die Privatisierung in diesem Land eine Klasse von Reichen zu schaffen, die später eine ungeheure Macht erlangen, und schließlich gegen den Sozialismus konspirieren würde".

Fünftens. Die cubanische Revolution kann keine Privatisierung akzeptieren, die den ungehemmten Egoismus und den Individualismus schürt, sondern sie versucht, über die Effizienz, das gesellschaftliche Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln zu festigen, und damit den ständigen Kampf um die sozialistischen Prinzipien der Brüderlichkeit und Solidarität zu begleiten. Trägt etwa ein kapitalistisches Unternehmen dazu bei, das Bewußtsein des neuen Menschen herauszubilden, der von Che angestrebt wurde?

Sechstens. Sollte sich erneut eine Bourgeoisie herausbilden, die in unserer republikanischen Vergangenheit antinational war, würde der Anreiz zu illegaler Bereicherung, Korruption und kriminellen Handlungen verstärkt werden, die bereits im Auf und Ab der período especial eine gewisse Bedeutung erlangt haben.

Siebtens. Wenn man sich auf rein wirtschaftliches Terrain begibt, und dabei hypothetisch die politischen und ideologischen Gefahren außer acht läßt, sieht man, daß kleine und mittlere Unternehmen sich auf eine extreme Ausbeutung der Arbeitskräfte stützen müßten, um rentabel zu sein. Dieses Phänomen kennt man aus dem neokolonialen Cuba und es ist heute in den Ländern anzutreffen, wo diese Unternehmen nur mit Mühe und Not mit den Monopolen Konkurrieren können, da diese zu einer sehr viel höheren Arbeitsproduktivität in der Lage sind.

Achtens. Der 5. Parteitag trat nicht nur der Frage entgegen, Cuba würde einheimische kapitalistische Privatunternehmen akzeptieren, sondern bekräftigte in seiner Resolution zur wirtschaftlichen Lage, in der er die positiven Erfahrungen auf nationaler und internationaler Ebene anerkennt: "Im Unternehmensbereich müssen die kleinen und mittleren staatlichen Betriebe eine dynamische und flexible Rolle bei der Produktion, den Dienstleistungen und der Schaffung von Arbeitsplätzen übernehmen."

Wir sind einer dreifachen Zielsetzung ausgesetzt, die für eine einheitliche feindliche Strategie steht. In der Politik ist es das Mehrparteiensystem, dessen Einführung die Einheit zerstören würde, die es uns erlaubt, unsere unverfälschte Demokratie aufrechtzuerhalten und die Menschenrechte zu garantieren. Im gesellschaftlichen Bereich ist es die Zivilgesellschaft, die in Cuba angeblich nicht existiert, und für die US-Akademiker im Besitz von anti-staatlichen Rezepten sind. In der Wirtschaft ist es die Bildung kapitalistischer Unternehmen.

Es ist trügerisch und falsch, die cubanische Weigerung, solche Unternehmen zuzulassen, darauf zurückzuführen, daß angesichts der Blockade der nationalen Einheit Vorrang eingeräumt werde, und deshalb die Beschäftigung mit vielen Problemen, die man gründlich diskutieren wird, auf später verschoben werden müßte.

Angesichts der mörderischen Blockade, der Wirtschaftskrise, der militärischen Bedrohung und weit davon entfernt, den Ausnahmezustand auszurufen oder auf die saubersten Wahlen des Planeten zu verzichten, stärkt Cuba die Teilnahme aller an seinem politischen System. Es ist ein Land, in dem das Volk und seine repräsentativen Institutionen jede wichtige Angelegenheit und jedes Gesetz am meisten diskutieren.

Sollte es etwa möglich sein, nicht anzuerkennen – um nur zwei Beispiele zu nennen - , daß sechseinhalb Millionen Cubaner das ideologische Dokument des 5. Parteitags diskutiert und beschlossen haben, oder daß in der Nationalversammlung die Meinungen von Zehntausenden Arbeiterparlamenten berücksichtigt wurde, als nach erschöpfenden Debatten, die dort immer geführt werden, die Entscheidungen angenommen wurden, Beschlüsse zur Sanierung der Staatsfinanzen gefaßt wurden?

Die Spitzfindigkeit, daß staatliche Maßnahmen nicht-wirtschaftlichen Charakters ausreichen würden, um das Eigentum zu begrenzen, das einige vorsichtig als nicht gesellschaftliches bezeichnen, um es nicht kapitalistisch zu nennen, kommt der Empfehlung gleich, sich freiwillig eine Krankheit zuzuziehen, weil es Medikamente geben, die ihr Fortschreiten verhindern.

Schließlich sind diese kapitalistischen Unternehmen, die unserer Heimat wenig oder gar nichts geben würden, keine sanftmütigen Sardinen, auch wenn ihre Verfechter sie häufig als solche darstellen, sondern Piranhas.

Unersättlich gefräßige Piranhas, wie sie reichhaltig im Amazonas vorkommen, sie es schaffen, sich jeglicher Kontrolle zu entziehen und in der Lage sind, in kürzester Zeit ein Pferd bis auf die Knochen zu verschlingen.

CUBA LIBRE Raul Valdes Vivo
Granma Internacional
Cuba Libre 2-1998

CUBA LIBRE 2-1998