Erinnerungen an den Anfang der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Als die FG das Laufen lernte

Tersita Averhoff und Rafael Fernandez, genannt »Tito«, waren schon seit 1973 in der Bundesrepublik. Das kubanische Ehepaar, beide ausgebildete Diplomaten, hatten die Aufgabe das Terrain in Westdeutschland zu sondieren, denn es galt auch in diesem Land der organisierten Solidarität mit Kuba eine feste Struktur zu geben. Diplomatische Beziehungen zwischen der BRD und Kuba existierten nicht mehr. Bonn hatte gehorsam den Abbruch vollzogen, nachdem die USA ihren speziellen Kalten Krieg gegen Cuba eröffneten.

Der Geist der »68er« war nach wie vor im politischen leben an den westdeutschen Universitäten zu spüren und Che-Bilder fehlten auf kaum einer Vietnam-Demonstration. Es hatte sich der marxistische Studentenverband MSB konstituiert und seit vier Jahren gab es wieder eine legale Kommunistische Partei, die DKP, die Beziehungen zur KP Kubas aufgenommen hatte. Ich war im Dezember 1970 Teilnehmer des IOJ-Kongresses in Havanna – eines internationalen Journalistenverbandes – und bei dieser Gelegenheit konnte ich im Auftrag meines damaligen Parteivorsitzenden Kurt Bachmann, die ersten Kontakte zur KP Kubas knüpfen.

In manchen Universitätsstädten hatte sich ein »Komitee zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Kuba« (KOWIZUKU) gebildet. Jusos bemühten sich ebenfalls um Kontakte zu dem revolutionären Kuba. Magnus Enzensberger und andere waren gerade enttäuscht aus Kuba zurückgekehrt, weil man dort nicht bereit war, allen »Ratschlägen« der westdeutschen Intellektuellen zu folgen.

In Vietnam bezogen die Amis eine Niederlage nach der anderen und auf der deutsch-deutschen Bühne hatte die SPD unter Brandt mit der Konzeption der neuen Ostpolitik begonnen. So etwa läßt sich in groben Kreidestrichen die Situation skizzieren, in der wir uns befanden, als wir darangingen, die Weichen für eine Freundschaftsgesellschaft mit Kuba zu stellen. Wohlgemerkt in einer Zeit, da die Linken untereinander in bittersten Fehden um den alleingültigen Weg waren, wo die einen davon träumten, die Kämpfe Ches und Fidels aus der Sierra an den Ufern der Isar nachzuvollziehen und andere dem revolutionären Kuba die Beziehungen zur Sowjetunion und der DDR vorwarfen.

Im Sommer 1973 war die erste deutsche Arbeitsbrigade nach Kuba gefahren und hatte sowohl mit dem ICAP, unserer kubanischen Partnerorganisation, als auch mit anderen westeuropäischen Freundschaftsgesellschaften in Berührung gekommen. Erste Kuba-Aktivistinnen und -Aktivisten waren gewonnen. Gespräche mit Teresita Averhoff und »Tito« vertieften die Entschlossenheit, hier endlich eine deutsche Partnerorganisation für das revolutionäre Kuba aus der taufe zu heben.

Ich begann nun damit, nach Mitstreitern zu suchen, nicht nur in den eigenen Reihen. Dr. Wilhelm Breuer, ein in der Friedensbewegung engagierter Freund und Horst-Eckart Groß, Mathematiker aus Bielefeld, in Südamerika aufgewachsen, dem Spanischen ebenso mächtig wie dem Deutschen, waren meine ersten Partner. Wir gingen auf die Suche nach weiteren Aktivisten und wurden fündig. Da waren evangelische Pfarrer aus dem Ruhrgebiet, Michael Höhn und Jochen Schwabe-Dissen, da war der Betriebsratsvorsitzende der Duisburger Eisengießerei Meiderich, Heinz Lukrawka, Ferdinand Zinn aus Dinslaken, ein Geschäftsmann, Germuthe von Müller, Giv von Körber aus Köln, Isabella von Schönberg, damals noch Studentin aus Marburg, da war John Küster, ebenfalls aus Marburg, Sabine Großkopf aus Hamburg, Willy Huismann aus Bremen.

Es war im Frühjahr 194 in einem Gelsenkirchener Restaurant, als wir die FG BRD-Kuba gründeten. Dr. Wilhelm Breuer wurde unser erster Vorsitzender, Ferdi Zinn wurde Schatzmeister, Horst-Eckart Groß und ich waren ebenfalls wie einige weitere Beisitzer im Vorstand. Was muß nicht alles beachtet werden, bei einer solchen Gründung: eine Geschäftsstelle muß her, eine Plattform über die Ziele verabschiedet und eine Satzung beschlossen, die Gemeinnützigkeit des eingetragenen Vereins beantragt werden. Kurz, wir eröffneten in Bonn unsere erste Geschäftsstelle.

Doch wichtiger als die organisatorischen und juristischen Voraussetzungen war uns schon am Beginn der Überlegung, wir müssen die Solidarität für Kuba auf eine politisch möglichst breite Basis stellen. Im ersten Jahr ging es uns vor allem um die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Bonn und Havanna, für die wir uns politisch einsetzten. Und das konnte ja nicht nur ein Ziel von Kommunisten sein. Wie überhaupt die gesellschaftliche Breite der Solidarität für Kuba damals wie heute die größte Unterstützung für Kuba darstellt.

Wie erfolgreich waren wir? Es gelang uns eine beachtliche Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten. Beleg dafür sind sicher die späteren Vorsitzenden der Gesellschaft, Klaus Thüsing, SPD-Bundestagsabgeordneter, Herbert Meyer, Reisekaufmann aus Hamburg und Manfred Bissinger, Journalist und Herausgeber. Nicht unwichtig zu erwähnen, daß der Finanzminister im Schmidt-Kabinett Matthöfer ebenfalls Mitglied der FG wurde.

Wir hatten schon in kurzer Zeit beachtliche wissenschaftliche Positionen in den Universitätsstädten. Natürlich wurde das von den Regierenden bekämpft. Horst-Eckart Groß erhielt Berufsverbot, weil er Mitglied der DKP und im vorstand der FG war. Der Verfassungsschutz observierte die FG, wir erschienen im jährlichen Bericht der Bundesregierung.

Die andere Seite war unser rasches Wachstum. Die Gruppen in den Städten formierten sich rasch. Eigene Aktionen und Initiativen vor Ort konnten verzeichnet werden. Veranstaltungen und Aktionen wie Kuba-Abende und Kubanische Nächte in Hamburg, München, Bremen, Krefeld, Marburg wurden ebenso erfolgreich wie Tourneen mit kubanischen Künstlern und Sportlern, die im Lande waren.

Auf die Durchführung der jährlichen Arbeitsbrigaden nach Kuba legten wir von Anfang an den größten Wert. Gewannen wir doch dadurch neue Kräfte. Ulla Krüger aus Frankfurt oder Harald Meinke aus Hamburg seien dafür stellvertretend genannt.

Ab 1975, als Bonn die Beziehungen zu Kuba wieder aufnahm- wir sahen auch unseren Anteil an diesem Erfolg – konnten wir unsere Arbeit vertiefen. Ich erinnere mich meines ersten Besuches in der Bonner Dienstvilla des Außenministers Genscher, wo Horst-Eckart und ich, den Plan für eine Ausstellung bundesdeutscher bildender Künstler in Havanna vortrugen. Der kubanische Außenminister war gerade zu Gast bei Genscher. Es gelang uns mit der tatkräftigen Mithilfe von Ulla Krüger aus Frankfurt, die verantwortlichen Beamten im Auswärtigen Amt von diesem Projekt zu überzeugen. 32 Künstler, darunter Gertrude Degenhardt, Hap Grieshaber, Fanz Kochseder, Walter Kurowski, Joachim Palm, Mathias Prechtl, Enric Rabaseda, Jörg Scherkemp und Klaus Staeck stellten in Havanna aus. Transport und Versicherung der Bilder, Flug der Künstler, Druck eines zweisprachigen und ausgezeichnet gestalteten Kataloges, der mit dem Signet der FG und dem Bundesadler versehen war und in dem es heißt:

»Eine Ausstellung der Freundschaftsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland – Kuba und dem auswärtigen Amt in Havanna« - das alles wurde von der Bonner Regierung bezahlt. Trotz Berufsverbote, trotz Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ich hatte die Ehre neben dem bundesdeutschen Botschafter in Havanna das Vorwort für die FG im Katalog zu schreiben und zu zeichnen.

Auf keinem UZ-Presseest fehlte das große Kuba-Zelt der FG. Wir führten die Installierung eines eigenen Reisedienstes der FG. Wir führten eine Menge budesdeutscher Journalisten nach Kuba, Mit einigen von ihnen brachten wir beim Lamuv-Verlag einen eigenen Reiseführer heraus. An diesen und vielen anderen Aktivitäten waren unsere Geschäftsführerinnen, von Isabella v. Schönberg bis zu Elisabeth Toelke, maßgeblich beteiligt. Was hier ziemlich glatt klingt, war nicht ohne Widersprüche in den eigenen Reihen zu realisieren. Es gab genügend Auseinandersetzungen um Richtung und ziele – dennoch war der übergeordnete Gedanke, wie können wir dem kubanischen Volk, das seinen eigenen revolutionären Weg gewählt hat, helfen. Gegen den imperialistischen Giganten im Norden, gegen seine Helfershelfer in Europa. Damals wie heute sollte das sie oberste Maxime unseres Handelns in der Solidaritätsarbeit sein.

Die Erinnerungen wären unvollständig, würden wir nicht die große Hilfe erwähnen, die uns und unsere Arbeit durch die Compañeros der kubanischen Botschaft in Bonn zuteil wurde. Ob wir uns mit dem ICAP in Madrid oder im Taunus zu Europatreffen mit den anderen Gesellschaften unseres Kontinents trafen, ob wir Reisen von politischen und künstlerischen Persönlichkeiten aus Kuba in unserem Land betreuten, stets standen wir in einem engen Verhältnis zu den Frauen und Männern aus der Bonner Kennedy-Allee.

Manche der Freunde Kubas, die mit uns die FG gegründet haben, leben nicht mehr, wie Harald Meinke und Ulla Krüger, denen wir noch einmal gedenken. Andere haben sich zurückgezogen oder sind beiseite getreten. Aber von keinem oder keiner habe ich je gehört, daß sie ihren Respekt vor der kubanischen Revolution und den Menschen, die sie tragen verloren hätten. Wieder andere und jüngere haben sich in die FG eingereiht. Trotz allen politischen Druckes, trotz der Hungerblockade durch die USA – die Revolution des kubanischen Volkes lebt, sie wird weiter leben auch und gerade durch unsere Solidaritätsarbeit.

CUBA LIBRE Fritz Noll

CUBA LIBRE 3-1994