Der letzte Feind

Ein Leitartikel und ein Artikel aus der regierungsnahen Tageszeitung "Excelsior" aus Mexiko-Stadt vom 30. Mai 1992.

Wie kein anderes Land leidet Kuba unter den heftigen angriffen des nordamerikanischen Imperiums und den Auswirkungen des Zerfalls der jetzt nicht mehr existierenden Sowjetunion. Erwischt von dem "Ende des Kalten Krieges" und des angeblichen universellen Triumphes der Demokratie und des wirtschaftlichen Liberalismus, befindet sich die Insel in der schlimmsten Krise ihrer modernen Geschichte. Dennoch hält sich Kuba ungeachtet der Tatsache, daß in anderen Breiten die postindustrielle Ära nur politische Instabilität und Vernichtung der nationalen Staaten beschert hat. Fidel Castro Ruz, der Anführer der ersten sozialistischen Revolution in Amerika, bestimmt die historische Etappe, die seine Heimat heute lebt: Die Vereinigten Staaten sind ein Imperium, das "von den eigenen Widersprüchen zerfressen ist … . Wir sind der einzige Feind, der übrig geblieben ist."

Das Schlimmste besteht darin, daß seine Verbündeten "des Blutes und der Kultur" - die Länder Lateinamerikas – auch den Weg des Liberalismus und der Demokratie eingeschlagen haben. In vielen Fällen werden diese beiden Faktoren als das Wundermittel betrachtet, um die Erste Welt zu erreichen. Dennoch gibt es in üppiger Fülle fehlgeschlagene Versuche.

Vielleicht deshalb gibt der kubanische Politiker zu verstehen, daß die Erde sich einem neuen Gespenst ausgeliefert sieht: dem Neoliberalismus, von Castro definiert als die "Ideologie des Imperialismus in seiner hegemonialen Phase". Tatsache ist, daß die USA im politischen und im militärischen Bereich international über eine beachtliche Macht verfügen, bei den Waffen haben sie keinen Gegner. Dennoch hat sie Schwächen im wirtschaftlichen Bereich und zeigt sehr verwundbare Punkte. Vielleicht wird deshalb die Zeit zugunsten der Karibik-Insel arbeiten.

CUBA LIBRE
Übersetzung: Horst-Eckart Gross

CUBA LIBRE 3-1992